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Sommerferien in Peking

Sommerferien in Peking

Titel: Sommerferien in Peking
Autoren: Leela Wang
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über Chinesen gesungen hatte, murmelte ich unglücklich: »Das sind nicht meine Freunde.Mama, ein Junge hat sogar gesagt, dass die Chinesen blöd sind.«
    »Wirklich?« Mama sah ein bisschen überrascht aus. »Das tut mir wirklich leid.«
    Ich versuchte, das Zittern in meiner Stimme zu verbergen: »Es ist O.K. Ist mir doch Wurst!« Max hatte auch gemeint, ich sollte den Jungen einfach ignorieren. »Tobi ist eben so. Er ist zu jedem so blöd.« Außerdem konnte ich sowieso nichts gegen ihn unternehmen: Tobi war viel größer als ich.
    »Nein!« Mama schaute mir jetzt direkt in die Augen: »Ich meine nicht dich. Es tut mir wirklich leid für den Jungen, der das gesagt hat.«
    Ich schaute sie überrascht an.
    »Ja, der Junge. So klein und schon so viele Vorurteile! Er kennt bestimmt keine Chinesen und ist noch nie in China gewesen. Er hat keine Ahnung von China. Wie schade!«
    Mama sinnierte und sagte zum Schluss entschlossen: »Aber die Kinder sind noch so jung und sie können noch lernen. Wir müssen ihnen helfen.«
    Helfen? Warum sollten wir ihnen helfen? Ich wollte rein gar nichts mehr mit diesem Jungen zu tun haben. Wenn ich Tobi sehe, werde ich mich einfach umdrehen und weggehen, dachte ich nur.
    Als wir noch mal auf die Theater-AG zurückkamen, schaute Mama mich von oben bis unten an und meinte auch, dass ich nicht wie Annika aussehe. Wenn überhaupt,dann sollte ich eher die Pippi Langstrumpf spielen. Es war wirklich nicht sehr fair, weil ich am linken Knie gerade zwei Löcher in der Jeans hatte und ein paar Schlammstücke vom Bach an meinen Hosenbeinen klebten.
    Aber dann passierte etwas noch viel Schlimmeres.



Der peinlichste Moment meines Lebens

    Eines Tages nach dem Unterricht sah ich ein paar Kinder am Fenster stehen und kichern. Sie schauten alle aufgeregt in den Garten.
    »Guck mal den komischen Mann da ...« Tobi stand ganz vorne und redete am lautesten: »Er steht schon mindestens zehn Minuten so da. Haha! Wie komisch ...«
    Ich hätte am besten gar nicht hinschauen sollen, aber leider konnte ich meine Neugier nicht zurückhalten – wie immer. Und wen sah ich im Garten unserer Schule? Meinen lieben Papa. Er war eigentlich ganz normal angezogen und sah auch ganz normal aus. Aber dann verstand ich plötzlich, warum die Kinder ihn auslachten.
    Papa machte gerade Meditationsübungen auf der Wiese. Er stand ganz still, hatte beide Hände ausgestreckt, die Augen geschlossen und die Beine leicht gespreizt. Man sollte bei solchen Übungen fest auf dem Boden stehen – als obman Wurzeln hätte, die tief in die Erde ragen. Idealerweise sollte man »stehen wie eine Pinie, sitzen wie eine Glocke, laufen wie der Wind, liegen wie ein Bogen«. Das hatte Papa in England von seinem chinesischen Meister gelernt. Und das machte er jetzt auch.
    Sofort fiel mir wieder ein, dass Papa mich nach der Arbeit abholen wollte, weil er heute früher Schluss hatte.
    Ich raste hinunter, schnappte ihn am Arm und zog ihn zum Auto.
    »Hallo, Süße. Sagst du mir nicht einmal Hallo?«, fragte Papa überrascht. »Nicht so schnell! Warum müssen wir uns so beeilen?«
    Ich sah immer noch Tobi und die anderen Kinder an dem Fenster stehen und wie sie mit ihren Fingern auf uns zeigten. Ich stieg schnell ins Auto.
    »Warum musst du unbedingt vor meiner neuen Schule Taiji machen?«, fragte ich wütend.
    »Warum nicht?«, wunderte sich Papa. »Ich mache immer beim Warten Taiji-Übungen, sonst habe ich nicht genug Zeit für Sport. Was ist los?«
    Ich kaute an meiner Unterlippe. Was sollte ich Papa sagen? Sollte ich ihm sagen, dass dies der peinlichste Moment meines Lebens war, und zwar seinetwegen?
    Ich seufzte: »Nichts, Papa. Du musst mich nicht abholen. Ich kann schon selbst nach Hause laufen.«
    »Warum? Ich kann dich doch ab und zu mal abholen.« Papa verstand immer noch nicht.
    »Ihr sagt doch immer, dass ich selbstständig werden muss. Warum lasst ihr es mich dann nicht versuchen? Du kannst Ricky vom Kindergarten abholen, wenn du Zeit hast. Ich laufe selbst nach Hause «, darauf bestand ich mit Nachdruck. Ich befürchtete, dass Papa sauer auf mich werden würde, aber er sah mir in die Augen, als wollte er in mein Inneres schauen, mit einem Blick, der etwas Besonderes ausdrückte.
    Stolz. Wenn ich nicht falsch verstand, war Papa einfach stolz auf mich. Stolz darauf, dass ich selbst nach Hause laufen wollte. Manchmal denke ich, Papa weiß doch nicht alles.
    »Du hast recht, meine Große. Vielleicht machen Mama und ich uns zu viele Sorgen
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