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Sommer, Sonne und dein Lächeln: Sommerträume (German Edition)

Sommer, Sonne und dein Lächeln: Sommerträume (German Edition)

Titel: Sommer, Sonne und dein Lächeln: Sommerträume (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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Schritt. Sie sprachen nicht miteinander, doch Blanche hatte schon herausgefunden, dass Sidney sich einfach nicht unterhielt, wenn er nicht dazu in Stimmung war.
    Es war knapp zehn, aber die Sonne war schon hell und heiß. Weil es ein Wochentag war, waren die meisten Sonnenanbeter und Wasserratten sehr jung oder sehr alt. Als Blanche anhielt, ging Sidney weiter, ohne dass einer von ihnen ein Wort sagte.
    Es war der Kontrast, der ihren Blick eingefangen hatte. Die alte Frau mit dem breiten flatterigen Sonnenhut war in ein langes Strandkleid und einen gehäkelten Schal gehüllt. Sie saß unter einem Schirm und beobachtete ihre Enkelin, die – nur mit einem rosa Rüschenhöschen bekleidet – neben ihr ein Loch in den Sand grub. Sonne überströmte das kleine Mädchen. Schatten schirmte die alte Frau ab.
    Blanche musste die Frau eine Genehmigung zur Veröffentlichung unterschreiben lassen. Bat man jemanden, ihn fotografieren zu dürfen, verkrampfte sich der Betreffende unweigerlich, und Blanche vermied das, wo es nur ging. In diesem Fall ging es nicht. Also wartete sie geduldig, bis die Frau sich wieder entspannte.
    Ihr Name war Sadie, und die Enkelin hieß auch so. Noch bevor Blanche das erstemal auf den Auslöser drückte, wusste sie, dass sie das Bild „Zwei Sadies“ nennen würde. Sie musste nur noch diesen träumerischen, weit entrückten Blick zurück in die Augen der Frau bringen.
    Es dauerte zwanzig Minuten. Blanche vergaß, dass ihr unangenehm heiß war, während sie zuhörte, nachdachte und Blickwinkel überlegte. Sie wusste, was sie wollte. Die sorgfältige Abschirmung der alten Frau und das völlige Fehlen jeglicher Abschirmung bei dem Kind und das Band zwischen den beiden, das durch Verwandtschaft und Zeit entstanden war.
    In Erinnerungen verloren, vergaß Sadie die Kamera und bemerkte es nicht, als Blanche auf den Auslöser zu drücken begann. Blanche wollte die Schärfe – das war es, was sie gesehen hatte. Beim Vergrößern wollte Blanche erbarmungslos mit den Linien und Falten im Gesicht der Großmutter umgehen, während sie gleichzeitig die Makellosigkeit der Haut des Kleinkindes unterstreichen würde.
    Dankbar unterhielt Blanche sich noch ein paar Minuten und notierte sich dann die Adresse der Frau mit dem Versprechen, einen Abzug zu schicken. Sie ging weiter und wartete auf die nächste Szene.
    Sidney hatte ebenfalls sein erstes Objekt gefunden, aber er unterhielt sich nicht. Der Mann lag mit dem Gesicht nach unten auf einem ausgebleichten Strandtuch. Er war rot, schwammig und anonym. Ein Geschäftsmann, der sich den Vormittag freinahm, ein Vertreter aus Iowa – es spielte keine Rolle. Anders als Blanche suchte Sidney nicht Persönlichkeit, sondern die Gleichheit derer, die ihre Körper in der Sonne grillten.
    Sidney wählte zwei Blickpunkte und schoss sechs Fotos, ohne ein einziges Wort mit dem schnarchenden Sonnenanbeter zu wechseln. Zufrieden wanderte er weiter über den Strand. Drei Meter entfernt streifte Blanche beiläufig ihre Shorts und ihr T-Shirt ab. Der eng anliegende rote Badeanzug war an den Schenkeln aufreizend hoch geschnitten. Ihr Profil war ihm zugewandt, als sie aus ihren Shorts stieg. Es war scharf, gut ausgeprägt, als wäre es von einer geschickten Hand gemeißelt worden.
    Sidney zögerte nicht. Er stellte Schärfe und Blende ein, korrigierte den Bildausschnitt um eine Winzigkeit und wartete. In dem Moment, in dem sie nach dem Saum ihres T-Shirts griff, begann er zu schießen.
    Sie war so schlicht, so unaffektiert. Er hatte nicht gewusst, dass jemand so total selbstvergessen sein konnte in einer Welt, in der Selbstverliebtheit zur Religion erhoben worden war. Ihr Körper war eine lange schlanke Linie, wurde mehr und mehr enthüllt, als sie das T-Shirt über den Kopf zog. Für einen Moment hob sie ihr Gesicht der Sonne entgegen, hieß die Hitze willkommen.
    Etwas kribbelte in seinem Magen. Verlangen. Er erkannte die ersten Anzeichen. Er mochte es nicht.
    Es war, sagte er sich selbst, was in seinem Beruf ein entscheidender Moment genannt wurde. Der Fotograf denkt, dann schießt er, während er zusieht, wie eine Szene abläuft. Wenn die visuellen und die emotionalen Elemente zusammentreffen – wie sie das in diesem Fall mit einem Schlag getan hatten –, kam es zumErfolg. Es gab keine Wiederholung, keine nochmalige Aufnahme. „Entscheidender Moment“ war wörtlich zu nehmen. Alles oder nichts. Wenn es ihn für einen Augenblick aufgerüttelt hatte, bewies das nur, dass er
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