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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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wenn Du wieder zu ihm gehst. Was nützt es, Dich noch
einige Tage hinzuhalten. Der Schock wird um so größer für Dich, je näher Deine
Hochzeit herankommt. Liebe Marga, ich habe nur noch wenig Hoffnung. Was die Nachricht
für Dich, Du armes Kind, bedeutet, ist mir ganz klar. Wenn sie bei Besinnung
ist, fragt sie nach Dir und grämt sich um Dich! Gestern sagte sie: «Wenn Percy
nur nicht nochmal aus London angereist kommt.» Heute sagte sie: «Ich komme erst
zur Ruhe, wenn sie verheiratet ist.» Du siehst, daß ihre sorgenden Gedanken
auch jetzt noch bei Dir sind. Ich bitte Dich, nicht zu kommen — es wäre für
Euch beide eine viel zu große Aufregung, und sie soll unbedingte Ruhe haben.
Aber schreibe ihr täglich wie bisher. Ich lese es ihr dann im passenden Moment
vor.
    Nun lebe wohl, Du armes Kind.
    Dein John Deneken
     
     
    Sonntag, den 15. März 96
    Mein lieber Engel!
    Diesen Brief bringe ich zu Dr. Pletzer,
der ihn Dir morgen mitnimmt. Heute holte ich Deinen Vater zur Kirche ab, und
wir hörten Pastor Portig. Er sprach über den Bibelvers: «Fürchte dich nicht,
denn Ich bin bei dir, Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist Mein.»
Siehst Du, mein Engel, das sprach er für Dich und mich, die wir jetzt beide in
Not sind!
    Gräme Dich nicht um mich. Ich
verspreche Dir jeden Tag wieder, daß ich nicht mehr weine! Und ich will alles
tun, wie Du es willst. Ich saß mit Deinem Vater in Eurem Kirchenstuhl
und nebenan saßen meine Eltern in unserem, in denen beiden schon unsere
Vorfahren gesessen haben. Wir alle beteten für Dich.
    Nun laß Dich küssen
    von Deiner Matti
     
     
    Bertha starb am 15. März 1896

Nachwort
    von
    Hans Harder Biermann-Ratjen
     
    Vierundvierzig Jahre hat Marga ihre
Mädchenbriefe, viele mit bunten Bändern verschnürte Päckchen, in ihrer Truhe
aufbewahrt, ohne nur ein einziges Mal den Mut zu finden, eines der Bündel zu öffnen:
«...denn ich wußte ja, welch wunderbare und tragische Erlebnisse sie enthielten...»
    Bertha und Marga wuchsen auf wie
Schwestern, ihre Elternhäuser lagen dicht beieinander, aber da Bertha die
Sommer auf dem elterlichen Gute in Mecklenburg verlebte, ergab es sich, daß
Marga, die von Einfällen und Erlebnissen übersprudelnde Partnerin dieses
Freundschaftsbundes, der still helfenden, warm teilnehmenden Schwester in
stürmischen schriftlichen Beichten vom Fortgang ihrer Mädchentage berichtete.
    Im Oktober 1940 endlich wurden die
Briefe aus der Truhenhaft erlöst, aber nicht, um Begnadigung vor den Augen
ihrer Urheberin zu finden, sondern größtenteils, um der Vernichtung
anheimzufallen. Nur einige der vergilbten Bündel erfuhren ein besseres Los und
durften die Schreiberin auf einen einsamen Heidehof begleiten. Dort aber
öffneten sich die papiernen Schleusen, und vor der erschütterten Seele der
alten Frau entstiegen den Bündeln die Schemen der Vergangenheit in allem Duft
der Jugend, aller Fülle unverwelklichen Wesens, daß sich ihr unter der Wucht
dieser Wiederkehr die Zeiten verwirrten und alles Gegenwärtige und
Dazwischenliegende der Einsamen entglitt, nur dies Vergangene ihr noch
Wirklichkeit und Leben zu haben schien.
    Diesem späten Sturme danken wir’s, daß
von den Berthabriefen doch noch diese letzten erhalten blieben. Denn nun stand
es für sie fest, daß an ein Vernichten nicht mehr zu denken war. Aber es war
noch ein weiter Weg von dort bis zur Rettung dieser Kostbarkeit ins gebundene,
vielfältig vorhandene Buch. Zum Verdienste dürfen wir es uns anrechnen, daß wir
in jahrelangem liebevollem Kampfe mit der Schreiberin nicht nur ihre endliche
Zustimmung zur Veröffentlichung erreichten, sondern auch, daß die Briefe, außer
einer diskreten Änderung der Namen, durchweg vor jeder Korrektur bewahrt
blieben. Am Ende siegte der Respekt vor dem lebendig Gewachsenen, der «edlen
Form des Zufalls», an welcher jeder wesentliche Eingriff unheilbare
Zerstörungen angerichtet haben würde. So können wir die Mädchenbriefe heute als
echte Lebensdokumente dem Leser vorlegen.
    Doch ist die Bitte an den Leser,
besonders an den dieser Geschichte heimatlich verbundenen, nicht überflüssig,
er möge nichts außerhalb des Buches suchen, was nur darinnen Schönheit und Wert
hat, möge nicht profaner- und indiskreterweise den Versuch machen,
Briefgestalten und Urbilder miteinander zu vergleichen oder die Linien der
Erzählung sonstwie ins Leben hinein zu verlängern. Denn wo dieses Buch endet,
da endet es mit überzeugender Notwendigkeit.
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