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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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Ich
will nun noch beim Einschlafen an die Mondschein-Sonate denken. Aber wie ist es
nur möglich, daß ich auch den Orgeldrehern so schrecklich gerne zuhören mag. —
    Immer
    Deine Matti
     
     
    Bremen, 9. Februar 1896
    Liebe liebste Bertha!
    John schreibt mir gestern eine Karte,
ich sollte nun rasch noch zu Euch kommen, ehe mein Zimmer von Baby besetzt
würde. Kann ich am 11iten früh kommen mit dem 8-Uhr Zug hier ab? John will mich
dann von der Bahn holen. Telegrafiert mir bitte, ob es Euch paßt. Ich bleibe
bis Freitag abend. Dann nimmt Papa mich mit zurück, der in Hannover zu
tun hat. Also drei Tage bin ich dann bei Euch.
    Meine Stunden habe ich alle aufgegeben,
und trotzdem ist es jetzt eine große Hetze, da sich alles sehr zusammendrängt.
Gestern abend hatten wir eine Gesellschaft für die zwei Brautpaare Ally und W.
v. T. und Anna und Gottfried Krefting und auch noch mit für das junge Ehepaar
Susi und Hauptmann v. P. Für mich war es irgendwie so aufregend, daß ich es Dir
schreiben muß. Also Papachen W. brachte Mama einen schönen Blumenstrauß und mir
drei rote Rosen, die ich mir anstecken sollte. Ich erschrak mich furchtbar,
denn seit Percy mir damals in Lesmona die zwei roten Rosen ansteckte, kann ich
keine mehr sehen, ohne daß die Wunde blutet. Er sagte damals: «Rote Rosen
gehören zu Glück und Liebe.» Beides war nun für mich vorbei, und ich sagte:
«Herr v. Weise, erlauben Sie mir, daß ich die Rosen in eine Vase stelle und zu
mir hinaufnehme, denn wenn ich sie jetzt anstecke, sind sie hinüber.» Natürlich
war ihm das recht. Dann fiel mir der göttliche rote Rosenstrauß von Percy ein,
den ich damals vor Onkel Herbert Papachen W. angedichtet hatte, und ich war
ganz verwirrt. Susi und ihr Mann kamen herein, und Susi sagte: «Du siehst ja
aus wie ein verlorenes Schaf.» Ich saß zwischen Carl Fr. und W. v. T. und trank
beim Sekt Brüderschaft mit beiden, die ja nun durch Rudi meine Vettern geworden
sind. T. strahlte Ally an, und sie machte ihre komischen Witze. Papa
brachte einen Toast aus auf die zwei Brautpaare und nahm P.’s noch mit hinein.
Er hatte lauter Zitate von Goethe und Schiller aneinandergereiht, und es war
ganz himmlisch witzig. Als er da in seinem Frack stand und so leicht und sicher
redete, machte er mir doch einen sehr großen Eindruck. W. v. T. sagte nachher:
«Dein Vater sieht aus wie ein alter General.» Darauf sagte Carl Fr.: «Bei dir
muß immer alles Gute vom Militär kommen — ich finde, er sieht aus wie ein
vornehmer, alter Bremer Hanseat.» Ich habe Carl Fr. immer sehr gern
gemocht. Übrigens sieht er Rudi sehr ähnlich. Rudi hat edlere Züge, aber Evi
sagte: «Carl Fr. hat mehr Charme.» Also nun sagt er nach der Brüderschaft zu
mir: «Nun sag mir mal, meine neue kleine Cousine, weshalb du jetzt immer so
ernst bist — du warst doch früher so furchtbar übermütig. Weißt du noch
in der Vahr bei uns in der Kegelbahn? Du warst doch wie ein sprudelnder
Gebirgsquell.» Ich wurde nur rot und schwieg. Nim hat er dies reizvolle
Zurückzucken des Kopfes, dem dann das prüfende feste Ansehen folgt, und dann
sagte er: «Wo ist eigentlich der englische Vetter geblieben, der damals nach
dem Rennen bei Hillmann so furchtbar in dich verschossen war?» Ich sagte
versteinert: «Er ist in London.» Ob er nun meinem Ausdruck oder meiner Stimme
etwas angemerkt hatte, weiß ich nicht. Er ist ja so fabelhaft diskret und
taktvoll und ahnte natürlich nicht, daß seine Frage mich ins Herz
treffen würde. Aber nun wechselte er blitzartig das Thema und sagte: «Mit
deinem Vetter Alexander Struve habe ich in München studiert und freue mich
sehr, ihn bei deiner Hochzeit wiederzusehen.» Wir unterhielten uns dann sehr gut.
Papachen W. brachte noch einen Toast auf mich aus - die «verlassene Braut»,
sehr reizend und freundschaftlich. Darauf sagte Carl Fr.: «Gottseidank, daß er
es mir abgenommen hat — es wäre mir heute sehr schwer geworden.»
    Nach dem Essen wurde es furchtbar vergnügt.
Suse und Ally waren geradezu feuersprühend! Plötzlich ruft Gottfried Krefting:
«Marga, warum bist du eigentlich so still?» Da sagt Susi: «Das viele Militär
macht sie verwirrt, sie fragt sich, ob hinter den Uniformen nicht vielleicht
mehr steckt als hinter der Kunstwissenschaft — aber ich kann sie beruhigen:
Hinter den Uniformen verbergen sich weder Tiefen noch Untiefen — nicht wahr,
Männe?»
    Als sie aufbrachen — es war nach 1 Uhr —
und als ich die drei Paare so zärtlich zusammen sah,
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