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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos
Autoren: E Schmidauer
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wir in Limyra waren, Aigeira, einmal in Elis, in Tell-el Dab’a, Ephesos, natürlich, immer wieder sagen sie Ephesos. Er hat nie verwunden, sagt einer, was damals passiert ist.
    Das sagt dann auch Ingrid, die ist jetzt die neue Grabungsleitung, er ist nie mehr nach Ephesos gekommen. Ein Jahr lang hat er sich ganz zurückgezogen, von allem, dann ist er wieder ins Institut gekommen, er hat den Nachwuchs betreut, das war ihm ein Anliegen. Bis zum Schluss, sagt Ingrid, war er eine Ansprechstelle vor allem für die Jungen, aber natürlich auch für uns, er wird sehr fehlen. Wenn du, sagt sie, nach Ephesos kommen möchtest, du weißt, dass du willkommen bist. Du bist Architektin, wer weiß, ob sich nicht etwas ergibt.
    Ich weiß nicht, sage ich, überleg es dir, sagt Ingrid, komm uns besuchen, wann immer du willst. Ja, sage ich, danke. Nie, denke ich, nie werde ich dahin zurückkehren.
    Die Frau Pölzinger verabschiedet sich. Ihr Herr Vater, sagt sie, Ihr Herr Vater freut sich sehr, dass Sie gekommen sind. Sie schnüffelt in ihr Taschentuch. Es ist alles so, wie er es sich gewünscht hat, er ist sehr zufrieden.
    Später sitze ich bei Jan. Du hättest eine gute Vermesserin werden können, sagt er, er grinst. Aber Architektin ist auch in Ordnung. Du und Hubert, sagt Jan, das ist nichts geworden aus euch, oder?
    Nein, sage ich.
    Ich habe ihn aus den Augen verloren nach diesem Sommer, sagt Jan, aber manchmal habe ich mir gedacht, dass ihr ja vielleicht zusammen seid.
    Nein, sage ich, das war dann doch nicht.
    Du bist nie mehr nach Ephesos gekommen, sagt Jan. Ich schüttle den Kopf. Du warst doch aber dort wie zu Hause, sagt er.
    Ich konnte doch nicht, sage ich, das ist nur noch ein Flüstern.
    Jan sagt nichts, eine ganze Weile lang. Warum redest du nicht mit Ilse, sagt er dann. Du solltest mit Ilse reden.

    Ich verstehe, dass du auf mich böse bist, habe ich zum Vater gesagt. Er saß an seinem Tisch und drehte sich nicht zu mir um, ich habe dich angelogen, das hätte ich nicht tun sollen. Ich hätte mit dir reden sollen, sagte ich, es tut mir leid. Aber bestraf nicht Hubert dafür, dass ich feig war. Wie konnte ich es dir denn sagen?
    Ich starrte auf den Rücken des Vaters. Er war stumm, er schrieb, seine Füllfeder kratzte über das Papier. Ich habe Angst gehabt, dass ich dich verliere. Der Vater blieb stumm. Er schrieb, den Bericht an die Grabungsleitung, dachte ich. Kann ich nicht euch beide lieben, sagte ich, Liebe, schnaubte der Vater, was redest du von Liebe.
    Weil es so ist, wieso muss ich dir das erklären?
    Zeile um Zeile füllte der Vater mit seiner gleichmäßigen Schrift. Warum tust du das, fragte ich endlich, wieso hasst du ihn so? Was hat er dir getan, der Vater schrieb ohne aufzusehen. Er hat dir doch nicht wirklich etwas weggenommen, sagte ich, nichts, was du nicht hättest verschmerzen können. Sogar das Holz, das er jetzt ausgegraben hat, euer heiliges Holz, sogar das gehört dir. Ist dir das nicht genug?
    Nur das Kratzen der Feder störte die Stille. Sag es mir, sagte ich, warum tust du das, ich will es verstehen.
    Jetzt legte der Vater die Feder weg, jetzt drehte er sich um. Du willst es also wissen, ja, sagte ich. Weil, sagte der Vater, weil ich nicht will, dass dieser Mensch auch noch meine Tochter bekommt.

    Wenn du es gewusst hast, sage ich zu Ilse, warum hast du nichts gesagt? Warum bin ich nie, Ilses geschmolzenes Gesicht, ich schaue an ihr vorbei, da ist ein Bild, das zeigt Weingärten, und Winzerinnen, warum bin ich nie zur Rechenschaft gezogen worden.
    Hättest du das denn gewollt?, fragt Ilse.
    Ich habe den Vater verloren, sage ich. Ich habe ihn nie wieder gesehen.
    Er hat dich geschützt, sagt Ilse.
    Ich weiß, sage ich. Ich habe ihn trotzdem verloren.
    Dass ich dir dein Leben zerstöre, sagt Ilse, hättest du das tatsächlich gewollt? Keinen Tag in einem türkischen Gefängnis, hat dein Vater gesagt, keinen einzigen, sie ist doch meine Tochter. Das war Monate, nachdem es passiert ist, da habe ich noch geglaubt, sie berührt ihre Wange, dass die Ärzte mir mein Gesicht zurückgeben können. Monate, nachdem es passiert ist, hat er es mir erzählt. Ich habe es schon vorher gewusst, , dein Vater hat nicht mehr von dir geredet.
    Ilse legt ihre Hand an meine Wange, zwingt mich, sie anzusehen, die dünne Haut, wie gefältelt am Hals, das kalte Feuer in ihrem Gesicht. Was hätte es genützt? Das da, Ilse berührt ihr Gesicht, das war schon passiert, das war ja nicht mehr zu ändern. Ich habe deinen
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