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Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)

Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)

Titel: Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
Autoren: Jón Faras
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Gedanken ab, bevor sie antwortete: „Ja, du sagtest, zu einer perfekten Nacht gehört ein perfekter Morgen, und dazu gehört eine gemeinsame Dusche.“
    „Ja, ein perfekter Morgen“, er lachte, „nur hat sich deine Dusche nie wieder von diesem perfekten Morgen erholt.“
    „Was hast du erwartet? Die Duschkabine war doch für mich alleine schon zu klein.“
    Ninive trat hinter Rasmus in das kleine Bad und musterte mit kritischem Blick die Einrichtung. Sie war mit fast 1,80 m hochgewachsen und etwa einen halben Kopf größer als Rasmus. Er fand diesen Umstand immer sehr interessant. Ninive weniger. Sie war der festen Überzeugung, dass ihrem Charakter ein kleiner, zierlicher Körper wesentlich angemessener gewesen wäre. Stattdessen war sie groß und – nicht zuletzt durch das missionsvorbereitende Training der letzten Jahre – athletisch durchtrainiert. Sie hätte die perfekte Mustersoldatin verkörpern können. Aber Ninive war in erster Linie Wissenschaftlerin. Und vor allem fühlte sie sich in ihrem Inneren nicht halb so robust, wie es ihr aufgrund ihres Erscheinungsbildes oft unterstellt wurde.
    „So einen Whirlpool hättest du damals gebraucht“, riss Rasmus sie aus ihren Gedanken. Er klopfte anerkennend auf den Rand der kleinen Wanne. „Dann wärst du mich bestimmt nie mehr losgeworden.“
    „Komm auf keine falschen Ideen, Rasmus“, entgegnete sie, „unsere Geschichte endet nicht mit einem Whirlpool.“
    „Ich kann nicht sagen, dass ich das nicht schade finde, aber ich glaube, mir bleibt keine Zeit mehr für ein Bad. Irgendwann wird sich dieser Zug schließlich in Bewegung setzen. Ich glaube“, er warf einen Blick aus dem Fenster neben dem Sessel, „ich sollte mich jetzt verabschieden.“
    „Also dann …“, entgegnete Ninive und bemerkte erschrocken, dass ihre Stimme belegt war.
    „Pass auf dich auf, Ninny, auch wenn wir uns nicht wiedersehen, solange es dir gut geht, ist mir egal, wo du bist“, er ignoriert mit einem leichten Kopfschütteln ihre Hand, die sie zur Verabschiedung ausgestreckt hielt, und nahm sie in den Arm. „Ich wünsche dir alles Gute dort draußen, aber vergiss die Jahre mit mir nicht. Nimm die Erinnerungen mit.“
    Wenige Sekunden später war er aus dem Abteil verschwunden. Ninive blieb alleine zurück und bewegte sich nicht, um das Gefühl der letzten Umarmung noch einen Moment länger aufrecht zu erhalten. Sie hatte einige Sekunden mit den Tränen gekämpft und sie schließlich besiegt. Doch die Schwere, die jetzt auf ihr lag, war wesentlich schlimmer. Sie nahm kaum wahr, dass draußen am Bahnsteig Signale die Abfahrt einläuteten, und erst der Ruck des anfahrenden Zuges löste sie aus ihrer Starre. Sie beschloss, nicht hinaus auf den Gang vor dem Abteil zu gehen und zu gucken, ob Rasmus noch am Bahnsteig wartete. Er würde es wohl ohnehin nicht tun, dazu kannte er sie zu gut. Diese Erkenntnis versetzte ihr einen erneuten Stich. Ihr wurde bewusst, dass sie den einzigen engen Freund, den sie in ihrem Leben hatte, nicht mehr wiedersehen würde.

02 | FALLENLASSEN
     
    Das Geräusch der Räder auf den Schienen war hier in der Wartungskammer, die im Bereich der Kopplungen am Übergang zwischen zwei Waggons hing, deutlich hör- und spürbarer als im gut isolierten und abgeschirmten Passagierbereich des Zuges. Mathieu stellte den kleinen Servierwagen achtlos in eine Ecke der Kammer und lehnte sich an die Kante der kleinen Werkbank, die von den Eisenbahningenieuren hin und wieder zur Reparatur kleinerer Ersatzteile genutzt wurde.
    „Und, bei dir alles ruhig?“, erkundigte sich Christine.
    Sie hatte sich im Schneidersitz auf einem Stapel metallener Kisten niedergelassen und rauchte. Mathieu beobachtete sie einen Augenblick lang. Sie hatte ihre Schuhe mit dem kleinen, schmalen Absatz ausgezogen und zupfte gedankenverloren an der Naht ihrer Nylonstrumpfhose oberhalb der Zehen herum. Christine war in Mathieus Augen eine Schlampe. Aber erstens war sie eine nette Schlampe, und zweitens war er Schlampen nicht ganz abgeneigt. Er beobachtete Christines Zehen, die sich unter dem transparenten Nylon bewegten, als wollten sie ausbrechen. Er konnte nur ahnen, was es bedeuten musste, wenn man den ganzen Tag oder die ganze Nacht Schicht als Room Service in einem fahrenden Zug hatte und dabei Absatzschuhe tragen musste.
    „Lass mich dir helfen“, bot sich Mathieu an, stieß sich von der Werkbank ab und griff nach einem ihrer Füße, um diesen zu massieren. Christine streckte ihm
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