Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst
Autoren: Antje Szillat
Vom Netzwerk:
Musik und Stimmen aus der Ferne. Konstantin rannte weg. Mathea stürzte ihm hinterher.
    Mein Kopf drohte zu zerspringen. Meine Augen fühlten sich an, als ob jemand sie von innen herausdrücken wollte. Ich presste mir die Hände vors Gesicht.
    Zwei Männer standen sich gegenüber. Nur dunkle Schatten vor einem alten Schuppen. Der eine groß und schlank, wild gestikulierend, bedrohlich. Der andere ergeben, fast ehrfürchtig.
    Obwohl es nicht meine Erinnerung war, die ich sah, war ich mir sicher, die Männer schon einmal gesehen zu haben.
    Plötzlich wandte sich der kleinere zu mir um.
    Jérôme, verdammt. Was machst du hier? Hau ab!
    Was bist du doch für ein Idiot!
, hörte ich Jérôme sagen.
    Bring das in Ordnung!
, knurrte der andere Mann und verschwand in der Dunkelheit.
    Du darfst nichts sagen. Du musst die Klappe halten. Kein Wort, sonst

    Hau ab
! Das war wieder Jérôme.
    Doch ich konnte nicht sehen, mit wem er redete. Da waren nur die Dunkelheit und der matschige Boden unter seinen Füßen. Er ging auf jemanden zu, murmelte etwas vor sich hin, das ich nicht verstand.
    Ein dumpfer Schlag durchfuhr mich, und mein Kopf fühlte sich an, als würde er explodieren. Dann sah ich das Gesicht, konnte erkennen, wer mit Jérôme auf dem Feld war. Das Blut gefror mir in den Adern.
    »Um Himmels willen, Kind. Was ist denn mit dir los?« Die ältere Frau hatte mich am Unterarm gefasst.
    Ich schaute sie verwirrt an. Meine Augen flackerten unruhig hin und her.
    »Es ist wohl besser, ich bringe dich zu einem Arzt«, sagte die Frau bestimmt. Sie krallte ihre dürre Hand noch fester um meinen Arm und wollte mich mitziehen.
    »Lassen Sie mich!« Mein Magen krampfte sich unter dem Anflug einer beginnenden Panikattacke zusammen.
    »Kind, ich kann dich nicht gehen lassen …«
    Wie von Sinnen riss ich mich los und rannte davon.
    Nur weg von hier, dachte ich.

    Etwas donnerte gegen die Wand aus Dunkelheit. Rasend, aufgebracht, bedrohlich.
    Anna, bist du zurückgekommen?, dachte Jérôme.
    Nein, das war ein anderes Gefühl.
    Jérôme zuckte innerlich zusammen. Mit aller Kraft bäumte er sich gegen die Schwärze um ihn herum auf, aber er hatte keine Chance.
    Die Stimme wurde lauter. Hektisch, aggressiv redete sie auf ihn ein, doch er konnte nur Bruchstücke aufschnappen. »Es tut mir … verdammt … warum musstest du auch … keine Ahnung … darfst nicht mehr … nichts verraten …«
    Ein furchtbarer Ruck ging durch Jérômes Körper und dann war auf einmal dieser Schmerz da. Ein stechender, brennender Schmerz. Alles war davon erfüllt – und da begriff er.
    Er spürte Wut in sich aufsteigen, wollte die Hände ballen, aber sie gehorchten ihm nicht.
    Ich muss hier raus! Dieser verdammte Heuchler!, dachte er verzweifelt.
    »Tut mir leid … habe keine Wahl …«
    Stille. Bis auf Jérômes unregelmäßigen Atem.
    Die Dunkelheit lichtete sich ein wenig und ein kleines bisschen Helligkeit schien zu ihm vorzudringen.
    Im nächsten Moment hörte er Udos Stimme direkt über sich. »Warum konntest du nicht einfach nur das tun, was ich von dir verlangt habe? Warum musstest du uns nachspionieren? Du machst alles kaputt!« Ein wütendes Aufheulen. »Ich kann nicht riskieren, dass du wieder aufwachst. Dann verlier ich alles. Den Hof, Ella, vielleicht sogar mein Leben … Das geht nicht. Das musst du verstehen.«
    Jérôme spürte die Gefahr, jede Faser seines Körpers wurde davon erfasst. Sein Herz schlug wild in seiner Brust.
    Aber er war gefangen. In dem unbeweglichen Panzer, der sein Körper für ihn war, unfähig, sich zu wehren, zu fliehen.
    »Anna, kannst du mich hören?«, rief er in die Finsternis. »Anna, du musst mir helfen!«
    Stille. Nur sein Atem, irgendwo da draußen. Ein und aus und ein und aus …
    »Anna!«
    Seine Worte schwebten davon. Mit jedem Atemzug entfernten sie sich weiter von ihm. Doch eine Antwort bekam er nicht.
    Die Dunkelheit zog sich immer fester um ihn zusammen, Kälte kroch in seine Brust. Die leblose, stille Schwärze hatte ihn zurückgeholt und breitete sich überall aus. Eine einzelne salzige Träne rann ihm über die Wange.
    Und plötzlich, wie von Zauberhand, kam das Licht zu ihm zurück. Und ein warmer Sommerregen prasselte auf ihn nieder …

    Ich zitterte am ganzen Körper, als die Panik endlich nachließ und ich wieder zu mir kam. Dann spürte ich, wie die Kälte langsam über meine Zehen in die Füße und nach oben kroch. Meine Schuhe waren pitschnass. Ich musste in eine Pfütze getreten sein. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher