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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst
Autoren: Antje Szillat
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Gründen.
    »Jérôme?« Anna schaute ihn nachdenklich an. »Diese beiden Typen gestern … kanntest du die?«
    »Nur flüchtig«, antwortete Jérôme knapp. Und das war noch nicht einmal gelogen. Er hatte sie im vergangenen Jahr zwar schon einige Male gesehen und sich auch so einiges von ihnen anhören dürfen, doch er kannte sie nicht. Wusste nichts über sie. Genauso wenig wie sie über ihn.
    »Vielleicht haben die ja etwas mit dem Einbruch bei uns zu tun?«, überlegte Anna.
    Jérôme schaute sie verständnislos an. »Wie kommst du denn darauf?«
    Anna zögerte einen Moment. Dann hob sie leicht die Schultern und sagte: »Könnte doch sein, dass die mich einschüchtern wollten. So ’ne Art Denkzettel.«
    Jérôme verzog gequält das Gesicht.
    »Schon gut«, winkte Anna ab. »Ich seh mal wieder Gespenster. Haben meine Eltern auch gesagt.«
    Rashun scharrte mit dem Vorderhuf und begann, unruhig auf der Stelle herumzutänzeln. Anna hatte sichtlich Mühe, ihn im Zaum zu halten.
    »Ich muss dann mal. Rashun hat keinen Bock mehr, hier rumzustehen.«
    »Ja, ach so, verstehe«, murmelte Jérôme geistesabwesend.
    »Okay, dann … tschau«, verabschiedete sie sich.
    Doch Jérôme war so in Gedanken versunken, dass er sie nicht einmal anschaute, geschweige denn ihr enttäuschtes Seufzen bemerkte.
    Erst als Anna sich ein paar Meter entfernt hatte, wurde ihm klar, dass er schon wieder dabei war, eine Riesenchance zu verpassen. Er wandte sich um und rief: »Anna! Hey, Anna! Warte doch mal!«
    Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als sie Rashun anhielt und sich zu ihm herumdrehte.
    »Wollen wir uns treffen? Ich meine, so richtig. Nicht nur zufällig. Hast du Lust? Vielleicht morgen Nachmittag?«
    Ein Strahlen ging über Annas Gesicht. »Gern!«, sagte sie.
    »Ja … ähm … klasse. Dann um vier bei dir?«, stotterte er aufgeregt und hätte schwören können, dass auch Anna leicht errötete. »Ihr wohnt doch im alten Wichmannshof, oder?«
    Anna nickte. »Ich freu mich«, sagte sie. Dann wandte sie sich wieder nach vorn und ritt davon.
    Jérôme schaute ihr noch eine ganze Weile hinterher. Mit einer gewissen Unruhe im Magen, die er nicht richtig deuten konnte.

5.
    Jérôme
.
    Jedes Mal wenn ich an ihn dachte, machte mein Herz einen kleinen Freudenhüpfer. Jerôme und ich, wir hatten uns verabredet. Er hatte mich gefragt und ich hatte einfach Ja gesagt. Seitdem schwebte ich ein paar Zentimeter über dem Erdboden.
    Mit feuchten Händen betrat ich den Schulbus und wartete darauf, dass er auftauchen würde.
    Dann endlich stieg er in den Bus ein und es verschlug mir prompt den Atem. Ich strahlte ihm entgegen. Legte einfach alles in diesen Blick. Doch Jérôme schaute nicht in meine Richtung. Noch nicht einmal einen kurzen Seitenblick schenkte er mir. Ich war Luft. Gar nicht da. Nicht existent. Er ging zielstrebig an mir vorbei und starrte stur geradeaus. Und ich war viel zu perplex, um irgendetwas zu sagen, geschweige denn zu tun.
    Die zwanzig Kilometer Busfahrt in die Stadt, in der sich das Gymnasium sowie alle anderen weiterführenden Schulen befanden, tobte in mir ein Sturm. Ein unglaublich chaotischer Gefühlssturm. Von dem ich nur dadurch abgelenkt wurde, dass Tanja, ein Mädchen aus meiner Klasse, im Nachbarortzustieg, sich sofort neben mich pflanzte und seitdem ohne Unterbrechung irgendeinen Stuss von sich gab, der mich nicht die Bohne interessierte.
    Mir war klar, dass ich neue Leute kennenlernen musste, doch um ehrlich zu sein, war Tanja nicht gerade mein Fall. Bestimmt würde die Zeit im Bus schneller vergehen, wenn ich ab und zu mit ihr plauderte. Und es war auch gut, jemanden zu kennen, falls ich mal vergessen hatte, mir die Hausaufgaben aufzuschreiben, oder nicht mehr wusste, welcher Test als Nächstes anstand.
    ABER! NICHT! JETZT! Im Augenblick wollte ich einfach nur meine Ruhe haben und darüber nachdenken, was mit Jérôme los war. Doch Tanja ließ mich nicht. Wollte es einfach nicht schnallen. Obwohl ich nur einsilbige Antworten gab und sie so abweisend anstarrte, wie ich konnte.
    Als der Bus endlich an der Haltestelle vorm Gymnasium angekommen war, blieb sie zur Krönung auch noch so lange auf ihrem Platz sitzen, bis Jérôme längst an uns vorbeigehuscht war.
    »Ich mag dieses Gedränge beim Aussteigen einfach nicht«, erklärte sie, als sie sich endlich von ihrem Sitzplatz erhob. »Deswegen lasse ich den anderen immer den Vortritt. So vermeidet man viel Stress vorm Unterrichtsbeginn.«
    Aha. Ja, super Plan,
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