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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst
Autoren: Antje Szillat
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hören waren, entspannten sich seine Muskeln ein wenig. Seine Gedanken wanderten zu Anna und ihrer Begegnung vor dem Supermarkt.
    Er hatte sich so gefreut, sie wiederzusehen, und am liebsten hätte er sie gleich gefragt, ob sie etwas zusammen unternehmen wollten. Doch dann waren diese beiden Idioten aufgetaucht, die schon die ganze Zeit Stimmung gegen ihn machten.
    Ganz am Anfang hatte er sich deshalb einmal bei Ella beschwert. Aber die hatte anders reagiert, als Jérôme es sich erhofft hatte.
    »Die Jungs hier auf dem Land haben einfach einen etwas raueren Umgangston. Du darfst nicht so empfindlich sein«, hatte seine Tante abgewiegelt. »Na ja, das hast du wohl vondeiner Mutter. Die bekommt auch immer gleich alles in den falschen Hals.«
    Damit war die Sache für sie erledigt gewesen. Und Jérôme hatte das Thema seitdem mit keiner Silbe mehr erwähnt. Offensichtlich wollte Ella nichts davon wissen, die hatte selbst genug Probleme.
    Dieses eine Jahr würde er auch noch rumkriegen. Und jetzt, wo Anna hierher gezogen war, sah die Zukunft in Mahlhausen gleich viel besser aus.
    Passenderweise erklang in Jérômes Kopfhörer Jan Delays Song
Hoffnung
, und es kam ihm fast so vor, als ob das Lied eigens für ihn umgetextet worden wäre.
    Und wenn du denkst, es geht nicht mehr
,
    dann kommt von irgendwo dieses Mädchen her
    und sagt dir, dass alles besser wird
    und dass die Hoffnung als Allerletztes stirbt

    Er ließ sich aufs Kopfkissen zurücksinken und lächelte versonnen.
    Am nächsten Morgen trottete Jérôme völlig gerädert zur Bushaltestelle und hielt vergeblich nach Anna Ausschau.
    Auch in der Schule konnte er sie nirgends entdecken, und so hoffte er inständig, dass er am Nachmittag im Bus auf sie treffen würde.
    Doch als Jérôme einstieg und den Blick über die Sitzbänke gleiten ließ, machte sich Enttäuschung in ihm breit. Wo war Anna nur?
    An der Bushaltestelle in Mahlhausen rannte er dann auch noch drei Jugendlichen aus dem Dorf in die Arme.
    »Hey, lange nicht gesehen«, tönte Konstantin, der Sohn des Bürgermeisters von Mahlhausen. »Sag mal, ich hab von meinenLeuten gehört, dass du an der dunkelhaarigen Stadttusse herumbaggerst.«
    Jérôme sah durch ihn hindurch und ging einfach weiter.
    Konstantin rannte neben ihm her, dicht gefolgt von seinen beiden Freunden. »Geht’s noch? Bleib gefälligst stehen, wenn ich mit dir rede! Du lässt schön deine Drecksgriffel von der. Ist das bei dir angekommen?!«
    Jérôme ging unbeirrt weiter, starrte stur nach vorn und stellte seine Ohren auf Durchzug.
    »Sagt mal, Leute«, rief Konstantin seinen Freunden voller Hohn zu, »ob der Trottel noch immer nicht begriffen hat, dass die Bräute in
meinem
Dorf für ihn tabu sind?«
    Seine Kumpel grölten vor Vergnügen.
    Jérôme biss so heftig die Zähne zusammen, dass sein Kiefer schmerzte.
    Nur nicht provozieren lassen, beschwor er sich. Das sind dämliche Vollidioten, die nur mit Ach und Krach die Hauptschule geschafft haben.
    Doch als Konstantin nach seinem T-Shirt griff und ihn daran festhielt, war es mit Jérômes Beherrschung vorbei. Er fuhr herum und baute sich direkt vor Konstantin auf. Jérôme war gut einen Kopf größer und wesentlich durchtrainierter als Konstantin. Aber er war allein. Und die anderen zu dritt.
    Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden. Ein gezielter Schlag in den Magen, ein schneller Tritt von hinten in die Kniekehle und schon lag Jérôme stöhnend am Boden.
    »Hör mal gut zu, du Penner!« Konstantin hatte sich breitbeinig vor ihm aufgebaut und schaute verächtlich auf ihn herab. »Du triffst dich nicht mit der, rufst sie nicht an und laberst sie auch nicht mehr im Bus voll. Die nicht und auch keine von den anderen Torten hier. Sonst gibt’s was aufs Maul, klar?«
    In einem der roten Backsteinhäuser wurde das Fenster aufgerissen und eine grauhaarige Frau erschien im Fensterrahmen. »Hört sofort auf!«, rief sie. »Konstantin, was soll das denn? Lass den Jungen in Frieden!«
    Konstantin hob unschuldig die Hände. »Ich hab mich nur gewehrt, Frau Schlüter.« Und mit weinerlicher Stimme fügte er hinzu: »Der hat mich beleidigt und mir sogar mit Schlägen gedroht. Fragen Sie doch Marco und Johannes. Die haben alles mitbekommen.«
    Jérôme hockte noch immer auf dem Gehweg. Er hätte etwas dazu sagen, sich verteidigen können. Aber wozu? Es war sowieso sinnlos.
    Langsam rappelte er sich wieder hoch, griff nach seiner Tasche, die ihm von der Schulter geglitten war, und machte sich
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