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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Bücher, die er nach dem Winterurlaub mitgenommen hatte, fast schon durch.
    Und dort, dort lag außerdem ein gelber Briefumschlag, auf dem ihr Name stand! Sofie brachte Schultasche und Post ins Haus und lief in die Höhle. Sie zog mehrere neue mit Maschine beschriebene Bögen aus dem Umschlag und fing an zu lesen.
Das mythische Weltbild
    Hallo, Sofie! Wir haben viel vor, da fangen wir lieber gleich an.
    Unter Philosophie verstehen wir eine ganz neue Art zu denken, die gegen 600 vor Christus in Griechenland entstanden ist. Vorher hatten die verschiedenen Religionen den Menschen alle Fragen beantwortet. Solche religiösen Erklärungen wurden von Generation zu Generation in den Mythen weitergereicht.
    Ein Mythos ist eine Göttererzählung, die erklären will, warum das Leben so ist, wie es ist.
    In der ganzen Welt ist im Laufe der Jahrtausende eine wilde Flora von mythischen Erklärungen der philosophischen Fragen herangewachsen. Die griechischen Philosophen versuchten zu beweisen, dass die Menschen sich nicht darauf verlassen konnten.
    Um das Denken der ersten Philosophen zu verstehen, müssen wir also begreifen, was es bedeutet, ein mythisches Weltbild zu haben. Wir werden einige mythische Vorstellungen aus Nordeuropa als Beispiel nehmen. In die Ferne zu schweifen, ist dafür gar nicht nötig.
    Du hast sicher von Thor mit dem Hammer gehört. Ehe das Christentum nach Norwegen kam, glaubten die Menschen hier im Norden, dass Thor in einem von zwei Ziegenböcken gezogenen Wagen über den Himmel fahre. Wenn er seinen Hammer schwang, folgten Blitz und Donner. Das Wort »Donner« bedeutet nämlich ursprünglich »Thor-Dröhnen«. Auf Schwedisch heißt der Donner »åska« – eigentlich »ås-aka« –, das bedeutet: die Fahrt der Götter über den Himmel.
    Wenn es donnert und blitzt, regnet es auch. Das konnte für die Bauern der Wikingerzeit lebensnotwendig sein. Thor wurde deshalb als Fruchtbarkeitsgott verehrt.
    Die mythische Antwort auf die Frage, warum es regnet, war also, dass Thor seinen Hammer schwang. Und wenn Regen kam, keimte und wuchs das Korn auf den Feldern.
    Es war im Grunde unbegreiflich, dass die Pflanzen auf den Feldern wachsen und Frucht tragen konnten. Aber dass es irgendwie mit dem Regen zusammenhing, wussten die Bauern immerhin. Außerdem glaubten alle, dass der Regen etwas mit Thor zu tun hatte. Das machte ihn zu einem der wichtigsten Götter in Nordeuropa.
    Thor war noch aus einem anderen Grunde wichtig, und der hing mit der gesamten Weltordnung zusammen.
    Die Wikinger stellten sich die bewohnte Welt als eine Insel vor, die ständig von äußeren Gefahren bedroht ist. Diesen Teil der Welt nannten sie Midgard . Das bedeutet: das Reich, das in der Mitte liegt. In Midgard lag außerdem Åsgard , die Heimat der Götter. Vor Midgard lag Utgard , also das Reich, das außenvor liegt. Hier wohnten die gefährlichen Trolle, die immer wieder versuchten, durch gemeine Tricks die Welt zu vernichten. Wir nennen solche boshaften Monster auch »Chaoskräfte«. In der nordischen Religion und in den meisten anderen Kulturen hatten die Menschen das Gefühl, dass eine prekäre Machtbalance zwischen guten und bösen Kräften bestand.
    Eine Möglichkeit der Trolle, Midgard zu zerstören, war, die Fruchtbarkeitsgöttin Frøya zu rauben. Wenn ihnen das gelang, wuchs nichts mehr auf den Feldern, und die Frauen bekamen keine Kinder mehr. Deshalb war es so wichtig, dass die guten Götter die Trolle in Schach halten konnten.
    Und auch dabei spielte Thor eine wichtige Rolle: Sein Hammer brachte nicht nur Regen, er war auch eine Waffe im Kampf gegen die gefährlichen Kräfte des Chaos. Der Hammer verlieh ihm eine fast unendliche Macht. Er konnte ihn zum Beispiel auf die Trolle werfen und sie damit töten. Er brauchte auch keine Angst zu haben, ihn zu verlieren, denn der Hammer war wie ein Bumerang und kehrte immer zu ihm zurück.
    Das war die mythische Erklärung dafür, wie die Natur funktioniert und warum immer ein Kampf zwischen Gut und Böse stattfindet.
    Aber es ging nicht nur um Erklärungen.
    Die Menschen konnten nicht mit den Händen im Schoß dasitzen und abwarten, bis die Götter eingriffen, wenn Unglücksfälle – wie Dürre oder Epidemien – sie bedrohten. Die Menschen mussten selber am Kampf gegen das Böse teilnehmen. Das taten sie durch allerlei religiöse Handlungen oder Riten .
    Die wichtigste religiöse Handlung im nordischen Altertum war das Opfer . Einem Gott zu opfern, bedeutete, seine Macht zu
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