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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Briefumschlag aber war gleich in den Briefkasten gelegt worden, genau wie vorher die beiden weißen.
    Sofie sah auf die Uhr. Es war erst Viertel vor drei. Erst in zwei Stunden würde ihre Mutter von der Arbeit kommen.
    Sofie lief wieder in den Garten und zum Briefkasten. Ob da wohl noch mehr liegen konnte?
    Sie fand einen weiteren gelben Briefumschlag, auf dem ihr Name stand. Sie sah sich um, konnte aber niemanden entdecken. Sofie rannte zum Waldrand und hielt auf dem Weg Ausschau. Aber auch dort fand sie keine Menschenseele. Plötzlich glaubte sie, tiefer im Wald Zweige knacken zu hören. Sie war sich aber nicht ganz sicher, und es hätte ja doch keinen Zweck gehabt, loszustürmen. Wenn irgendwer versuchte, vor ihr wegzulaufen, würde sie ihn kaum einholen.
    Sofie schloss die Haustür auf und legte ihre Schultasche und die Post für ihre Mutter auf den Boden. Sie lief auf ihr Zimmer, nahm sich die große Kuchendose mit den vielen schönen Steinen, kippte die Steine auf den Boden und legte die beiden großen Umschläge in die Dose. Dann lief sie mit der Dose im Arm wieder in den Garten. Vorher stellte sie Sherekan noch Futter hin.
    »Miez, Miez, Miez!«
    Als sie wieder in der Höhle saß, öffnete sie den Briefumschlag und zog mehrere mit Maschine beschriebene Bögen heraus. Sie fing an zu lesen.
Ein seltsames Wesen
    Da wären wir wieder. Du hast sicher schon begriffen, dass dieser kleine Philosophiekurs in passenden Portionen kommt. Hier ein paar weitere einleitende Bemerkungen.
    Habe ich schon gesagt, dass die Fähigkeit, uns zu wundern, das Einzige ist, was wir brauchen, um gute Philosophen zu werden? Wenn nicht, dann sage ich das jetzt: DIE FÄHIGKEIT, UNS ZU WUNDERN, IST DAS EINZIGE, WAS WIR BRAUCHEN, UM GUTE PHILOSOPHEN ZU WERDEN.
    Alle kleinen Kinder haben diese Fähigkeit, das ist ja wohl klar. Nach wenigen Monaten werden sie in eine nagelneue Wirklichkeit geschubst. Aber wenn sie dann heranwachsen, scheint diese Fähigkeit abzunehmen. Woher kann das kommen? Kann Sofie Amundsen diese Frage beantworten?
    Also: Wenn ein kleines Baby reden könnte, würde es sicher erzählen, in was für eine seltsame Welt es gekommen ist. Denn obwohl das Kind nicht sprechen kann, sehen wir, wie es um sich zeigt und neugierig die Gegenstände im Zimmer anfasst.
    Wenn die ersten Wörter kommen, bleibt das Kind jedes Mal stehen, wenn es einen Hund sieht und ruft: »Wau-wau!« Wir sehen, wie es in der Kinderkarre auf- und abhüpft und mit den Armen herumfuchtelt: »Wauwau! Wauwau!« Wir, die schon ein paar Jahre hinter uns haben, fühlen uns von der Begeisterung des Kindes vielleicht ein wenig überfordert. »Ja, ja, das ist ein Wauwau!«, sagen wir welterfahren, »aber setz dich jetzt schön wieder hin.« Wir sind nicht so begeistert. Wir haben schon früher Hunde gesehen.
    Vielleicht wiederholt sich diese wüste Szene einige hundert Male, bis das Kind an einem Hund vorbeikommen kann, ohne außer sich zu geraten. Oder an einem Elefanten oder einem Nilpferd. Aber lange bevor das Kind richtig sprechen lernt – oder lange bevor es philosophisch denken lernt –, ist die Welt ihm zur Gewohnheit geworden.
    Schade, wenn du mich fragst.
    Es geht mir darum, dass du nicht zu denen gehörst, die die Welt für selbstverständlich halten, liebe Sofie. Sicherheitshalber werden wir deshalb zwei gedankliche Experimente machen, ehe wir mit dem eigentlichen Philosophiekurs anfangen.
    Stell dir vor, du machst eine Waldwanderung. Plötzlich entdeckst du vor dir auf dem Weg ein kleines Raumschiff. Aus dem Raumschiff klettert ein kleiner Marsmensch und starrt zu dir hoch ...
    Was würdest du dann denken? Naja, das ist im Grunde egal. Aber ist dir je aufgegangen, dass du selber so ein Marsmensch bist?
    Natürlich ist es nicht besonders wahrscheinlich, dass du je über ein Geschöpf von einem anderen Planeten stolperst. Wir wissen nicht einmal, ob es auf anderen Planeten Leben gibt. Aber es ist denkbar, dass du über dich selber stolperst. Es kann passieren, dass du eines schönen Tages stutzt und dich selber auf eine ganz neue Weise erlebst. Vielleicht passiert das ja gerade auf einer Waldwanderung.
    Ich bin ein seltsames Wesen, denkst du. Ich bin ein geheimnisvolles Tier ...
    Du scheinst aus einem jahrelangen Dornröschenschlaf zu erwachen. Wer bin ich? fragst du. Du weißt, dass du auf einem Planeten im Universum herumkrabbelst. Aber was ist das Universum?
    Bist du noch da, Sofie? Wir machen noch ein gedankliches Experiment:
    Eines Morgens sitzen
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