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Soehne des Lichts

Soehne des Lichts

Titel: Soehne des Lichts
Autoren: Alexandra Balzer
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heilen, jeden Sterbenden zu retten. Wo aber würde das enden? Wenn niemand mehr zu sterben bräuchte? Bald würde jeder nach Roen Orm strömen, damit wir Priester ihr Leiden beenden. Wenn niemand mehr leidet, wer erkennt dann noch das Glück? Wenn es keine Krankheit, keinen Tod mehr zu fürchten gibt, was bedeutet das wohl für uns Sterbliche? Irgendwann gäbe es nicht mehr genug Nahrung, um die ständig wachsende Bevölkerung zu versorgen. Es gäbe keine Bäume mehr, um Häuser zu bauen, keine Tiere, um uns Essen und ihr Fell zu schenken. Es gäbe nichts mehr, außer zu viele Menschen, die von unserer Magie abhängig wären, und du glaubst hoffentlich nicht, dass die alle dankbar ihre Tage mit Gebeten verbringen würden?“
    Janiel ließ matt den Kopf hängen. Er verstand die Weisheit in Rynwolfs Worten. Ja, Magie war so betrachtet tatsächlich ein Fluch.
    „Ich werde dich nicht dafür töten, dass du ein mitleidiges Herz besitzt und nicht begreifen konntest, was deine Tat bedeutet. Es ist nicht deine Schuld, dass du Kräfte in dir trägst, die du nicht besitzen darfst. Es sind Verlockungen des Finsterlings. Ich werde dich lehren, von diesen verdorbenen Kräften abzurücken, damit du endlich deine wahre Macht entfalten kannst. Ich hatte mich schon lange gewundert, warum jemand, der so starke Magie besitzt wie du, so erbärmliche Ergebnisse liefert.“ Rynwolf seufzte schwer. „Du wirst einige Wochen in der Kammer verbringen, den anderen sage ich, dass eine Hexe dich verflucht hatte und du Isolation und geistige Führung brauchst.“
    Die Kammer war ein winziger Raum in einem der Türme des Tempels. Zu jeder Zeit des Tages konnte das Sonnenlicht ungehindert dort hineinströmen, es war ein idealer Ort, um zu Ti zu beten und zu meditieren. Das war es zumindest, was man all jenen Priestern erzählte, die auf Grund irgendeiner Verfehlung dort eingesperrt wurden. Janiel hatte zu viele Unglückliche gesehen, die halb blind dort heraus getaumelt waren, verbrannt von Tis Macht. Es kümmerte ihn nicht. Er hatte den Tod über
    Lynthis gebracht. Sollte Gott ihn dafür verbrennen, es war weniger, als er verdiente!
    „Nimm dieses Tuch, damit bindest du in den Mittagsstunden deine Augen!“, wisperte Rynwolf und steckte ihm heimlich etwas zu. Er wirkte besorgt, trotz seiner Enttäuschung. „Wenn du dich ausgeruht hast, werde ich dich lehren, nie wieder auf diese Weise in das Geflecht der Welt einzugreifen, verstanden?“
    Janiel nickte stumm. Er versuchte, dankbar auszusehen, immerhin hatte Rynwolf es geschafft, ihm Gnade zu zeigen, es nach außen hin aber als angemessene Strafe erscheinen zu lassen. Vielleicht würde doch noch alles zum Guten gewendet werden?
     
    In der Nacht kroch Inani in Gestalt einer Kyphra in die Kammer , durch eines der offenen Fenster. Janiel, der sich in ruhelosen Alpträumen auf der harten Holzbank wand, die als Bett diente, spürte nichts davon. Er sah nicht, wie sich die Schlange in eine Frau verwandelte.
    „Eiye skysh!“, wisperte Inani kaum hörbar und strich ihm sacht über den Kopf. Sofort versank er in traumlosen Schlaf. Inani spürte, wie tief die Verletzungen in seine Seele reichten. Vorsichtig drang sie in sein schlafendes Bewusstsein vor, darauf bedacht, dass er sie auf gar keinen Fall bemerken konnte. Nur sie allein besaß von den Hexen diese Gabe, deren wahre Ausmaße sie selbst vor Kythara zu verbergen suchte. Sie allein konnte jederzeit in eine Seele vordringen …
    Schreckliche Bilder von Blut und Tod beherrschten Janiels Geist, schwere Schuldgefühle quälten ihn. Schuld, weil er es war, der Lynthis wählte. Schuld, weil er als Geweihter versagt hatte, Kräfte nutzte, die ihm nicht zustanden. Schuld, weil er seinen Meister enttäuscht hatte. Zu viel Schuld, an zu vielen Dingen.
    Eure Gesetze sind so seltsam. Warum muss es so schwer sein, was doch leicht und klar ist?
    Inani ließ Luftmagie fließen, obwohl es schmerzhaft für sie war, und beeinflusste damit Janiels Gedanken und Erinnerungen. Es kostete sie Stunden, in denen sie hoch konzentriert neben ihm kniete und Magie nutzte, die ihre Adern verbrannte. So behutsam und vorsichtig musste sie sein, zarte Schleier über all den Schrecken, die lähmende Angst legen, und die zerstörende Schuld. Janiel sollte keine einzige Erinnerung verlieren, nichts durfte ihn argwöhnen lassen, dass jemand in seinem Kopf gewesen war! Alles, was zu entsetzlich war, um damit leben zu können, wurde von ihrer Magie gedämpft, ohne dass er
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