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Söhne der Erde 19 - Der Tödliche Ring

Söhne der Erde 19 - Der Tödliche Ring

Titel: Söhne der Erde 19 - Der Tödliche Ring
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Außentemperatur in der oberen Stratosphäre wieder anstieg. Charru verringerte die Geschwindigkeit und hielt das Boot eine Weile an der Stelle. Sein Blick ging nach unten, suchte die fahlen Wolkenfelder ab, den fernen Wirbel heftiger Luftbewegungen, die Bereiche völliger Klarheit, wo sich die dunkle Oberfläche des Planeten unter ihnen krümmte.
    »Wir müssen nach Süden«, stellte er fest. »Die Marsianer haben ihren sogenannten »tödlichen Ring« parallel zum Äquator gelegt. Wie sieht es jetzt aus?«
    »Normal«, sagte Beryl.
    »Höhe?«
    »Zweiunddreißig Kilometer. Etwa die Höhe, in der angeblich die Kohlendioxyd-Behälter aufgesprengt wurden.«
    Angeblich, wiederholte Charru in Gedanken.
    Sie klammerten sich alle an die Hoffnung, daß sich die Gefahr als irreales Schreckgespenst erweisen würde. Das Beiboot glitt mit singenden Triebwerken nach Süden, langsam, da bei größerer Geschwindigkeit Detektoren und Meßinstrumente nicht mehr ordnungsgemäß arbeiten konnten.
    Wolken verhüllten die dichten Waldgebiete, die sie schon einmal überflogen hatten.
    Das Meer tauchte auf, das die Menschen der Erde früher »indischer Ozean« genannt hatten.
    Beryl starrte auf die Instrumente, auf die Zahlen und Meßdaten. Er schüttelte den Kopf, tippte ein paarmal heftig auf die Taste, mit der er Vergleichswerte abrufen konnte, doch das Ergebnis änderte sich nicht.
    »Was ist?« fragte Charru gepreßt.
    »Kohlendioxydgehalt der Luft steigt an.«
    »Normal?«
    »Nein, verdammt! Er liegt höher, als er dürfte.«
    »Viel höher?«
    »Kann ich nicht beurteilen.«
    Beryl beugte sich mit zusammengekniffenen Augen vor. »Im Augenblick eine Prozentzahl mit drei Stellen hinter dem verdammten Komma. Mir kommt das lächerlich wenig vor.«
    »Fünfzehnter Breitengrad«, warf Brass dazwischen. »Allmählich müßte es spannend werden.«
    »Es wird spannend«, sagte Beryl durch die Zähne.
    Mechanisch wiederholte er die Zahlen, die in Sekundenabständen aufleuchteten.
    Neben ihm starrte Camelo gebannt auf die Kontrollen. In den nächsten zehn Minuten stiegen die Meßwerte dramatisch an. Der Kohlendioxydgehalt der Luft nahm beständig zu, und als das Beiboot die Höhe des Äquators erreicht hatte, bestand kein Zweifel mehr daran, daß sie sich mitten in jenem unheimlichen Ring befanden, der sich ausbreiten und die Erde dem Hitzetod ausliefern sollte.
    Camelo wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
    Sein Gesicht war blaß und hart. Mit einer hoffnungslosen Geste ließ er die Schultern sinken.
    »Es ist also wahr«, sagte er leise. »Sie haben es wirklich getan. Die Erde wird sterben.«
    *
    In den Kellerlöchern der toten Stadt herrschte unruhige, huschende Bewegung.
    Fackeln brannten. Rötliche Reflexe tanzten über die Wände des unterirdischen Thronsaals, über bunte Plastikfetzen und die grauen Rattenfelle, die den Boden bedeckten. Charilan-Chi lehnte mit blassem, zornigem Gesicht auf ihrem Thron unterhalb des Sitzes, der von jeher den zurückgekehrten »Göttern« vorbehalten war. Ein leerer Sitz! Bar Nergal und die Priester waren nicht hier. Aber ihre unsichtbare Anwesenheit schien dennoch wie ein düsterer Schatten über allem zu lasten.
    Ciran hatte lange geredet, doch es war ihm nicht gelungen, seine Mutter zu überzeugen.
    Sie blieb taub gegen die Wahrheit, blind gegen die Tatsachen. Sie konnte nicht anders, weil sie sonst hätte begreifen müssen, daß ihr Leben, ihre Herrschaft, ihre Hoffnungen auf einer Lüge beruhten. Bar Nergal war ihr Gott. Ciran hatte nur ihren Zorn erregt, und er wußte, daß dieser Zorn jedes weitere Wort gefährlich machte.
    »Geh jetzt«, sagte Charilan-Chi beherrscht. »Du bist müde und weißt nicht mehr, was du sagst. Ich verzeihe dir, weil du viel erlitten hast und weil eine große Aufgabe vor dir liegt. Du wirst sie erfüllen.«
    Ciran antwortete nicht.
    Schweigend neigte er den Kopf und wandte sich ab. Er spürte die stumpfen Blicke der Katzenfrauen und die angstvollen, verständnislosen seiner Geschwister. Sie waren noch Kinder. Mit seinen älteren Brüdern hätte er sprechen können. Che hatte mit Nergal gebrochen, selbst Chan sich am Ende von dem Oberpriester abgewandt. Aber sie lebten nicht mehr. Mit schleppenden Schritten trat Ciran in den dunklen, feuchten Kellergang hinaus, schauernd unter der schmerzhaften Gewißheit, daß er völlig allein war.
    Bar Nergal würde ihn zwingen, mit einer weiteren Atombombe zu starten.
    Und wenn er nicht zurückkam, würde der
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