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So schoen Tot

So schoen Tot

Titel: So schoen Tot
Autoren: Christiane Franke , Sandra Luepkes
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deutet hektisch auf ihre Armbanduhr. »Sobald Sie ausgepackt haben, sollten Sie sich in unserer Wartelounge einfinden. Dort wird man Sie um 14   Uhr zur Behandlung mit der Moxa-Zigarre abholen.«
    Skeptisch nehme ich den Zettel an mich. Vielleicht hätte ich die Behandlungen doch selbst aussuchen und nicht pauschal das »Entspannungspaket Baltic« wählen sollen. Eine Moxa-Zigarrenbehandlung hätte ich dann nämlich definitiv nicht gewählt. Und wie soll ich nur bei dem Programm noch nebenbei zum Morden kommen? Doch es hilft nichts; ich muss da jetzt durch. Für Sylvia Kaminski.
    Mein Plan ist denkbar einfach: Ich habe zwei Tage, um die Opfer auszuspähen, einen Tag, um die drei Morde zu begehen, und zwei letzte Tage, um alles aufzuschreiben. Um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, beabsichtige ich, meine Opfer unter dem Entspannungspersonal zu suchen. So könnte ich beispielsweise während einer leichten Nackenmassage herausfinden, wer für einen Anfänger wie mich als Opfer infrage kommt. An einen Masseur im Sumo-Format oder eine anabolikagestärkte Shiatsu-Therapeutin wage ich mich nämlich noch nicht heran. Wenn alles gut liefe, wollte ich die Spur später zu einem Kollegen des Opfers führen lassen, es sollte ja nicht bloß spannend, sondern auch anspruchsvoll werden. Einfach nachts auf leisen Sohlen in ein Zimmer schleichen und einem schlafenden Gast den Garaus machen   – mit der Story würde ich bei Sylvia Kaminski sicher nicht punkten. Und aus diesem Grund habe ich das »EntspannungspaketBaltic« gewählt. Neun Behandlungsstunden, neun unterschiedliche Entspannungstechniken   – der beste Weg, um sämtliche Therapeuten unauffällig kennenzulernen. Heute vier und morgen fünf. Geradezu lächerlich einfach.
    »Besten Dank«, sage ich zu Anna-Lena und falte die Zettel zusammen, »wie Sie sehen, bin ich wild entschlossen, mich hier zu erholen.« Dann schnappe ich mir meinen Koffer und steuere den Fahrstuhl an.

3.
    »Entspannen Sie sich Herr Krakow, ich hole nur schnell die Moxa-Zigarre, und dann kann es losgehen.« Mein potenzielles erstes Opfer, Diplom-Therapeut Kent, spricht mit warmer, ruhiger Stimme. Er ist etwa so groß wie ich, möglicherweise etwas schlanker und braun gebrannt. Von der Statur somit perfekt für mein Vorhaben. Nicht zu kräftig, aber auch kein mickriges Opferlamm, das selbst von einer blinden Hostess umgelegt werden könnte. Anhand eines persönlichen Gesprächs während der Behandlung, einer Art Bewerbungsgespräch für die Opferrolle, will ich zudem herausfinden, ob der Betreffende den Tod auch wirklich verdient hat. Das würde mir die Sache etwas leichter machen.
    Während ich nun auf meiner Massagebank liege und darauf warte, dass Kent zurückkommt, versuche ich mich zu beruhigen. Ein winziges Detail im Bezug auf die bevorstehende Behandlung macht mich nervös. Sehr nervös. Bereits jetzt kann ich mich kaum mehr auf meine Mission konzentrieren. Die Zigarre. In meinem ganzen Leben habe ich niemals geraucht. Keine Zigarette, kein Gras und erst recht keine Zigarre. Nicht, als John Lennon starb, nicht, als meine Freundin Britta mich wegen eines blondierten Bankangestelltenverließ, und auch nicht, als Sylvia Kaminski mich einen Softie nannte. Und das soll auch so bleiben. Ich werde doch hier nicht zum Mörder UND zum Raucher.
    Wohl oder übel werde ich es Entspannungstherapeut Kent sagen müssen. Auch auf die Gefahr hin, dass mein erstes potenzielles Opfer mich hinauswirft, ehe ich überhaupt ein Gespräch mit ihm beginnen konnte. Aber Ausfälle habe ich natürlich einkalkuliert. »Entschuldigung«, beginne ich zaghaft und kralle meine Hände in das Laken, auf dem ich liege. Was mache ich nur, wenn sich der Kerl kritisiert fühlt und total ausflippt? Wenn ihn meine Ablehnung verletzt oder unverarbeitete Kindheitserlebnisse aus seinem Innersten zutage befördert, sodass er am Ende komplett durchdreht? Mir beginnen die Knie zu zittern. Leise räuspere ich mich. »Auch äh   … wenn dadurch möglicherweise der Behandlungserfolg geschmälert wird, muss ich Sie doch darauf hinweisen«, ich schaffe es nicht, Kent ins Gesicht zu sehen, »dass ich nicht an einer Zigarre interessiert bin. Ich habe noch nie geraucht und möchte heute nicht damit anfangen.« Vorsichtig drehe ich meinen Kopf in Kents Richtung. Er sieht nicht wütend aus. Auch nicht wie jemand, dessen inneres Kind gleich zombieartig zutage treten wird. Genau genommen ist er noch gar nicht zurück im Raum. Eine Woge
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