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So nah bei dir und doch so fern

So nah bei dir und doch so fern

Titel: So nah bei dir und doch so fern
Autoren: Kate Allatt
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versorgte man die ganze Familie mit guter Hausmannskost, was Mark sehr zu schätzen wusste. Die Frauen der Kirchengemeinde taten sich zusammen und kochten im Rotationsprinzip. Wenn man bedenkt, dass wir seit unserer Hochzeit vor fast zwölf Jahren keinen Fuß mehr in die Kirche gesetzt hatten, mit Ausnahme des jährlichen Weihnachtskonzertes, war dies eine außergewöhnlich freundliche Geste.
    Jeden Tag wartete auf unserer Türschwelle ein anderes Gericht: herzhafte Aufläufe, Töpfe mit Chili con Carne oder Schüsseln mit Spaghetti Bolognese. Eines tauchte jedoch nicht auf: eine angekündigte Fischpastete, auf die sich besonders mein Stiefvater Dave freute, da es seine Lieblingspastete war. Als er an jenem Freitagabend mit meiner Mutter aus dem Krankenhaus kam, war keine Fischpastete zu sehen. Sie fragten herum, doch niemand wusste etwas davon. Um nicht unhöflich zu erscheinen, bedankten sie sich bei der Köchin, ohne die Pastete gefunden zu haben. Das Rätsel löste sich erst ein paar Tage später auf, als eines der Kinder eine Schultasche von der Anrichte nahm und darunter die vermisste Speise fand.
    Kurz danach luden eine Gruppe Ehemänner aus Dore und seine Mountainbike-Kumpel Mark in die Dorfkneipe ein, damit er für ein paar Stunden auf andere Gedanken kam. Es funktionierte großartig, denn inmitten seines Freitagabendbieres sagte Mark: »Ich habe dermaßen viel um die Ohren, dass ich noch nicht mal dazu gekommen bin, mir einen runterzuholen!«
    Daraufhin meinte einer aus der Gruppe: »Wenn ich dir irgendwie behilflich sein kann, brauchst du mir nur Bescheid zu geben.«
    Der Mann bemerkte gar nicht, was er da wörtlich angeboten hatte, und Mark verzichtete auf das Angebot, aber die Geschichte sorgte seitdem immer wieder für Lacher.

KAPITEL 5

Innen lebendig
    N achdem ich aus dem Koma erwacht war, bekam ich alles um mich herum mit, während die Ärzte und das Pflegepersonal darum kämpften, Leben zu retten. Über das Rauschen der Ventilatoren und das Piepen des Herzmonitors hinweg hörte ich die gedämpften Stimmen des Personals, wie sie sich über die schlechten Aussichten anderer Patienten unterhielten. Doch ich konnte nichts unternehmen, um ihnen klarzumachen, dass ich lebte und zuhörte.
    Ich spürte jeden Schmerz in meinem Körper, und jeder schien verstärkt. Die Schmerzen in der Schulter wollten nicht verschwinden, und ich konnte sie durch nichts lindern. Gestützt durch zwei Kissen unter meinen Armen und mit Schläuchen in jeder Körperöffnung, fühlte ich mich, als sei ich das Opfer irgendeines bizarren Folterrituals.
    Den Blick hielt ich starr auf diese verdammte Uhr gerichtet – das war alles, was ich tun konnte. Ich weinte freiwillige und unfreiwillige Tränen, geboren aus Schwermut, Frustration und der Notwendigkeit, Aufmerksamkeit zu erregen. Blinzeln war das Einzige, was ich kontrollieren konnte, doch jemanden darauf aufmerksam zu machen, lag völlig außerhalb meiner Macht, was zu weiteren Tränen führte.
    Um 16.17 Uhr erschienen neben meinem Bett eine Krankenschwester mittleren Alters mit einem Dutt und eine blonde Hilfsschwester. Sie unterhielten sich, schauten mich dabei aber nicht an, sondern durch mich hindurch. Die ältere Schwester hielt eine Spritze in der Hand und injizierte Schmerzmittel in eine Kanüle, die in meinem rechten Handrücken steckte. Sie schwieg und vermied die ganze Zeit über jeglichen Blickkontakt, während ich spürte, wie die Kälte des Medikaments in meinen Blutkreislauf floss. Danach rollten mich die beiden vom Rücken auf die linke Seite.
    Es war das erste Mal, dass ich bewusst wahrnahm, wie das vierstündliche Ritual ablief, das ein Wundliegen verhindern sollte. Tränen rannen mir über die Wangen. Ich versuchte sie wegzublinzeln, doch sie tropften mir in den Mund. Ich verstand nicht, weshalb die Schwestern nicht mit mir sprachen. Ich wollte verzweifelt wissen, was hier geschah. Ich hoffte so sehr, dass sie über die Schläuche und Diagramme hinweg den Menschen anschauen würden, der da gefangen in einer gelähmten Hülle lag.
    Ich stellte mir vor, dass diese Schwestern, die im Retten von Leben ihre Berufung gefunden hatten, in einem anderen Leben jene Art unabhängiger, motivierter Frauen sein mochten, die ich gerne meine Freundinnen genannt hätte, wenn ich nur die Chance dazu erhielte. Später erfuhr ich, dass sie geglaubt hatten, ich sei hirntot, und die Tränen seien meine Art gewesen, dem alten Leben nachzutrauern.
    »Riecht, als wenn da jemand einen
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