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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden
Autoren: James Morrow
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mich.«
    George senkte die wunderbare Juwelenkrone auf Theophilus’ strohtotes Haar. »Wie seh ich aus?« fragte der Hutmacher.
    »Prächtig.«
    In gewisser Hinsicht hinterließ er wirklich einen prachtvollen Eindruck.
    »Macht Kompott aus der Siegelringmafia! Exekutiert das Pfuinanzamt! Ins Loch mit dem Gerichtshof! Optimiert die strategischen Optionen!«
    Fast eine Stunde lang fläzte er sich in die Ecke und schalt halblaut vor sich hin. George servierte ihm Tee.
    »Maximiert die Abschreckung! Setzt Max und Moritz wieder zusammen! Pausenbrot für alle!«
    Mit seinem Zepter winkte er George zu sich. Tief verbeugte sich George. »Au revoir, mein Freund.« Der Hutmacher schlürfte Tee. »Allerdings spricht die Wahrscheinlichkeit dagegen.«
    Und dann schwenkte die Boutique langsam, in nachgerade elegantem Schwung, zur Landung ein. Der gütige Theophilus Rex trat seine lange Herrschaft über das Nichts an.
    *
    George trat vor die Ladentür. Er hielt seine Lampe in die Höhe. Vor den beredten Steilhängen des Mount Christchurch erhob sich, unvergänglicher als Ägyptens Pyramiden, das Eispalast-Gerichtsgebäude, seine Fahnen flatterten, die Turmspitzen schienen den dunklen Wolken die Hängebäuche zu kitzeln. GERECHTIGKEIT IST GEÜBT, stand am Berg.
    Hier herrschte kein Sturm, nur kläglicher Wind, in dem der rauchige Geruch des ARES-Monturen-Innenfutters mitwehte. Wohin George auch blickte, vom gewölbten Schaufenster bis an den Helligkeitskreis seiner Leuchte und über ihr Licht hinaus, übersäten die Monturen die Gletscherzunge wie von einer riesigen, übermäßig vermehrten Falterart zurückgelassene Kokons. Er wäre sich gerne darüber im klaren gewesen, wie er auf diese Situation reagieren sollte, aber in ihm kamen keine wahrhaft authentischen Regungen mehr auf. Tja, das wäre es also, dachte er lediglich. Keine Menschen mehr, kein einziger mehr da, keine Geborenen, keine Annullierten, niemand. Schluß. Aus.
    Da jedoch erschien zum Brummen seines Motors ein Eisbär-Raupenfahrzeug aus dem Düstern, bremste vor der Wahnsinnssonderangebote- Boutique. Eine Greisin stieg aus, einen Arm um den ARES-Montur-Helm geschlungen, den anderen auf einen Gehstock aus Eis gestützt. Sie tatterte auf George zu.
    »Hallo, George.«
    »Missis Covington?«
    »Auf diesem blöden Gletscher ist es beinahe so kalt wie in Ihrer Grabmalwerkstatt.« Streifenweise glänzte Schnee in Nadine Covingtons grauem Haar.
    »Ich find’s ehrlich nett, Sie wiederzusehen, Gnädigste.« Trotz der Eisigkeit spürte George auch diesmal ihre Aura des Wohlwollens. »Ich war sicher, Ihr kleines Segelboot würd absaufen.«
    »Der Dokumentenfrachter hat mich an Bord genommen.«
    »Haben Sie das Tribunal mitverfolgt?«
    »Während der Verhandlung gegen Sie bin ich zugegen gewesen. Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, George, absolut nichts, was Sie hätten sagen können, hätte am Urteilsspruch etwas geändert… Und nun erzählen Sie: Hat Leonardos Glasmalerei die Zukunft gezeigt?«
    »Ich bin meiner Tochter wiederbegegnet.« George heftete den Blick in den schwarzen Qualm aus dem Auspuffrohr des Eisbär-Raupenfahrzeugs. »Aber sie war’s nicht wirklich… Sie sah bloß so aus. Sie hätten mir keine Hoffnungen machen sollen.«
    »Sie haben sich Hoffnungen gemacht.«
    »Ich bin in der Marmorstadt gewesen, wie Sie’s mir empfohlen hatten, und habe dort Professor Carter angetroffen, und er hat meine Zeugungsfähigkeit wiederhergestellt, aber es war alles sinnlos.«
    »So geht das eben in der postatomaren Welt. Entsinnen Sie sich noch an die gute, alte Zeit, als Sie mir in Massachusetts diese Grabinschriften getextet haben? ›Sie war besser, als sie es ahnte.‹ Erinnern Sie sich? ›Er erfuhr nie, was er hier sollte.‹ Ja?« Mit ihrer Eiskrücke wies sie auf das Fahrzeug. »Im Führerhaus ist es warm. Wir haben noch etwas zu erledigen.«
    Sie fuhren durch ein Dutzend leerer Südpol-Gehennas und vorbei an Zehntausenden herrenloser ARES-Monturen. Nadine Covington steuerte den Wagen über die Gletscherzunge, zur Ostseite des Nunataks und hangaufwärts. Fünf von Eis verkrustete Leichen baumelten an ihren lebenden Galgen.
    Das Fahrzeug stoppte vor Henker Tarmacs sterblichen Überresten. Wie Tränen an blinden Augen klebten Tropfen gefrorenen Bluts an seinen Einschußwunden. George kletterte, eine Metallsäge fest mit der vom Handschuh gewärmten Faust umfaßt, aufs Fahrzeugdach. Er schnallte das Koppel, an dem das tragbare Raketengeschoß hing, von der Hüfte des
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