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So heiß wie der Wuestenwind

So heiß wie der Wuestenwind

Titel: So heiß wie der Wuestenwind
Autoren: Olivia Gates
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Flur eine Kurve machte, lief sie gegen die Wand. Doch sie empfand nicht einmal Schmerz. Sie fühlte sich wie tot.
    Langsamer als vorher lief sie weiter, immer weiter, bis sie den Palast verlassen hatte. Sie würde immer weiter laufen, so lange, bis das Land Judar hinter ihr lag.
    Und sie würde nie mehr zurückkehren.
    Kamal brauchte noch weitere drei Stunden, um letzte Feinheiten zu klären. Er wollte Aliyah nichts davon erzählen, bis alles unter Dach und Fach und völlig wasserdicht war. Aber jetzt war es so weit.
    Der Thron von Judar war sicher, der Frieden in der gesamten Region gewährleistet.
    Und es hing nicht mehr von ihrer Ehe ab.
    Freudestrahlend stürmte er ins Schlafzimmer. Er ging davon aus, dass sie nach der vergangenen anstrengenden Nacht immer noch schlief oder dass sie sich ein wenig entspannte und sehnsuchtsvoll auf seine Rückkehr wartete, damit sie sich wieder lieben konnten.
    Doch Aliyah war nicht im Schlafzimmer. Voller Panik durchsuchte er die gesamten Königsgemächer, aber sie war nirgends zu finden.
    Nur nicht nervös werden, sagte er sich. Kamal, du musst klar denken.
    Immerhin waren vierzehn Stunden vergangen, seit er das Schlafzimmer verlassen hatte. Sicher war sie wach geworden, hatte geduscht und war dann in ihr Atelier gegangen. Vielleicht setzte sie gerade die letzten Pinselstriche auf das Porträt, das sie von ihm geschaffen hatte. Vielleicht würde sie es ihm heute stolz präsentieren; sie hatte ja nichts mehr vor ihm zu verbergen.
    Mit langen Schritten rannte er zu ihrem Atelier. Aber schon auf dem Weg dorthin wurde seine böse Vorahnung für ihn zur Gewissheit: Er würde sie auch dort nicht finden.
    Und tatsächlich war sie nicht da.
    Vor ihrem mit einem Tuch verhüllten Gemälde blieb er stehen. Er fühlte sich unendlich leer. Weil sie fort war. Hatte er nicht schon seit Stunden so ein unbestimmtes Gefühl einer herannahenden Katastrophe gehabt? Er hatte es fortgewischt, weil er sich keinen Grund dafür vorstellen konnte.
    Aber jetzt plötzlich war es ihm klar: Er würde sie überall suchen und sie nicht finden, nirgends. Im Palast nicht, in ganz Judar nicht.
    Noch fühlte er sich zu schockiert und benommen, um Schmerz oder Trauer zu empfinden. Mit zitternden Händen hob er das Tuch vom Gemälde, als ob er darauf Erklärungen für ihr Verhalten finden könnte.
    Das Gemälde war fertig – aber signiert war es nicht. Als ob sie nicht zugeben wollte, dass sie es gemalt hatte. Er empfand es als verschlüsselte Botschaft: Noch bevor sie ihn tatsächlich verließ, hatte sie ihn aus ihrem Herzen gestrichen.
    Als er zwanzig Stunden später auf dem Flughafen von Los Angeles landete, fühlte sich Kamal um zwanzig Jahre gealtert. Zwanzig? Ach was, vierzig.
    Aliyah war kommentarlos gegangen, zu niemandem hatte sie ein Wort gesagt. Sie hatte einfach einen Jet geordert und war davongeflogen.
    Natürlich hatte er versucht, sie auf ihrem Handy zu erreichen, aber vergeblich. Nur die Information seiner Sicherheitsleute beruhigte ihn ein wenig. Nach ihren Auskünften war sie in ihrer alten Wohnung.
    Also war sie immerhin sicher. An diese Gewissheit klammerte er sich. Alles andere war erst mal nicht wichtig, bis er sie wiedersah. Und weiter wollte er noch nicht denken.
    Natürlich zermarterte er sich trotzdem das Hirn. Jede gemeinsam erlebte Sekunde ließ er Revue passieren, doch er konnte keine Erklärung finden, warum sie ihn so plötzlich verlassen hatte.
    Als er endlich vor ihrer Tür stand, war er nur noch ein Nervenbündel.
    Aliyah öffnete.
    Nervös betrachtete er sie. Sie hatte die Haare zu einem schmucklosen Pferdeschwanz gebunden und trug schlichte Kleidung: verwaschene Jeans und ein T-Shirt. Ihr Gesicht war leichenblass.
    Sie sah ihn nicht einmal an, wandte sich um und ging in die Wohnung. Wortlos folgte er ihr. In dieser Wohnung hatte er einige der furchtbarsten Momente seines Lebens mitgemacht – und was jetzt kommen würde, war wahrscheinlich noch schlimmer.
    Bevor er etwas sagen konnte, ergriff sie das Wort. „Sag deinen Leuten, sie sollen das hier abholen.“
    Das hier waren zwei der Schatztruhen, die er ihr bei der Hochzeitszeremonie zu Füßen gelegt hatte. Er hatte sie in die Botschaft von Judar bringen lassen, damit Aliyah den Schmuck während ihrer Aufenthalte in Amerika tragen konnte.
    „Der Rest der Juwelen ist ja bei dir in Judar“, sagte sie. „Die hier habe ich mir von der Botschaft anliefern lassen, damit ich sie dir persönlich zurückgeben kann. So wie es das
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