Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So funktioniert die Wirtschaft

So funktioniert die Wirtschaft

Titel: So funktioniert die Wirtschaft
Autoren: Norbert Haering
Vom Netzwerk:
aufgewendet werden mussten, um die Strände zu reinigen und sonstige Schäden einzudämmen. Dennoch wäre die Menschheit insgesamt besser dran, wenn die Plattform nie gebaut worden wäre.
    Beispiel
    In den USA ist die Kriminalität deutlich höher als hierzulande. Das ist gut für das BIP-Wachstum. Ein sehr großer Anteil der Unterschicht, die sonst kaum etwas zum Wirtschaftsleben beitragen würde, wird von einer riesigen Gefängnisindustrie betreut, deren Leistungen das BIP steigern. Ein US-Bürger, der sich eine teure Sicherungs- und Alarmanlage leisten kann, ist deshalb nicht wohlhabender als ein um die Kosten dieser Anlage ärmerer Deutscher, der eine solche Anlage gar nicht braucht und froh ist, dass er sich nicht selbst einsperren muss.
    Eine Gesellschaft, die viel Geld ausgibt, um Umweltschäden zu reparieren und sich gegen Kriminalität zu schützen, ist schlechter dran als eine, die etwas weniger Geld zur Verfügung hat, aber solche Ausgaben erst gar nicht tätigen muss. Verteidiger des BIP-Konzepts führen an dieser Stelle gerne an, dass das Bruttoinlandsprodukt eben nicht dazu da sei, Aktivitäten zu bewerten, sondern allein, die Wirtschaftsaktivität zu messen. Das ist richtig. Aber ebenso richtig ist, dass das Bruttoinlandsprodukt in Politik, Presse und Öffentlichkeit als entscheidender Maßstab für wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand eines Landes angesehen wird.
    Simon Kuznets, der 1934 das System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entwickelte, aus dem das Bruttoinlandsprodukt hervorging, sagte schon damals, das BIP solle keinesfalls als Wohlstandsmaß missverstanden werden. Gedacht war es nur als Maß, das Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität und damit möglichen Handlungsbedarf für die Wirtschaftspolitik anzeigen sollte.
    Die Verteilung wird ignoriert
    Wenn das Bruttoinlandsprodukt steigt, können die Menschen eines Landes insgesamt mehr Güter und Dienstleistungen konsumieren. Für das Bruttoinlandsprodukt ist es allerdings gleichgültig, wer die Einkommen bezieht. In Wirklichkeit hat das aber einen großen Einfluss darauf, wie positiv eine Steigerung des BIP zu bewerten ist, jedenfalls wenn man Wert auf eine möglichst weitgehende Entwicklung der menschlichen Potenziale legt. Die Wohlhabenden können ihre Potenziale schon sehr weitgehend ausschöpfen. Mehr Geld verändert daran kaum noch etwas. Es sind v. a. die Ärmeren, die durch Geldmangel an der Entfaltung ihrer Potenziale gehindert werden.
    Beispiel
    Wer wohlhabend ist, kann sich eine gute Gesundheitsversorgung leisten. Wenn ein Wohlhabender sein Vermögen noch steigert, wird er dadurch nicht wesentlich gesünder. Bezieht aber ein Armer mehr Einkommen, kann das seinen gesundheitlichen Zustand deutlich verbessern und seine Lebenserwartung verlängern.
    Wenn das Wirtschaftswachstum dazu führt, dass ohnehin schon Reiche noch reicher werden, während große Bevölkerungsteile arm bleiben oder gar verarmen, trägt es nichts zur besseren Ausnutzung der menschlichen Potenziale bei. Für die Berechnung des BIP ist es unerheblich, ob dem bestverdienenden Hedge-Fonds-Manager 5 Mrd. US-Dollar zufließen oder ob 100 Mio. Menschen, die von einem Dollar am Tag leben, jeweils 50 US-Dollar bekommen. Im Hinblick auf das Wohlergehen der Menschheit besteht zwischen beiden Alternativen allerdings ein riesiger Unterschied.
    Wer allerdings eher die Sichtweise Mandelvilles einnimmt, wonach es allein auf Reichtum und Stärke der Gesellschaft insgesamt ankommt, mag das anders sehen. Doch mehrheitlich gilt die Auffassung, dass es dem Zusammenhalt und Gedeihen einer Gesellschaft nicht gut tut, wenn die Einkommen immer weiter auseinander driften.
    Das BIP zu steigern greift zu kurz
    In der Praxis taugt das Bruttoinlandsprodukt durchaus als Näherungswert für den materiellen Wohlstand eines Landes. Der Umstand, dass das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in den Industrieländern mit rund 30.000 US-Dollar rund zehnmal so hoch ist wie im Durchschnitt der Entwicklungsländer, sagt viel über das relative Wohlstandsniveau dieser Ländergruppen aus. Wächst das Bruttoinlandsprodukt wie in China im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends Jahr für Jahr um fast zehn Prozent pro Jahr, so kann man durchaus mit einiger Zuversicht behaupten, dass es sehr vielen Chinesen inzwischen materiell merklich besser geht.
    Doch die Tatsache, dass sich das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher