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SMS für dich

Titel: SMS für dich
Autoren: Sofie Cramer
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     zum Erliegen brachte.
    Dabei hat Sven sich immer für ein Glückskind gehalten. Doch seit etwa drei Jahren läuft es irgendwie nicht mehr richtig rund.
     Als Wirtschaftsredakteur genießt er zwar viel Anerkennung in seinem Umfeld, aber letztlich kann er niemanden mehr damit beeindrucken,
     dass er regelmäßig die größten Wirtschaftsbosse interviewt. Und am allerwenigsten sich selbst. In den Redaktionssitzungen
     schweift er mit seinen Gedanken regelmäßig ab, anstatt den beiden Chefredakteuren oder seinen Kollegen mit messerscharfen
     und brillant vorgetragenen Themenvorschlägen oder Kommentaren zu imponieren.
    |16| Was ist bloß mit ihm geschehen?
    Zu Beginn seines Volkswirtschaftsstudiums war er voller Begeisterung und Ideen gewesen. Er war politisch aktiv, hatte viele
     Freunde und trieb jeden Tag Sport, weil er Bewegung an der Hafenluft einfach liebt – frühmorgens, wenn die meisten Anwohner
     Altonas noch lahm in ihren Betten liegen.
    Ob seine Lethargie mit der Trennung von Fiona zu tun hat? Sven weigert sich, einen Zusammenhang zu sehen. Denn dann würde
     er sich eingestehen müssen, seinen Problemen ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Lieber redet er sich ein, sie sei gar nicht
     seine große Liebe gewesen. Denn obwohl nun schon so viel Zeit vergangen ist, sieht er das Bild noch immer deutlich vor sich,
     wie sie knutschend an ihrem Mini Cooper lehnte, die Arme um den Körper eines Fremden geschlungen.
    Vielleicht ist es auch seine Wut auf sich selbst, die ihn daran hindert, das Kapitel ein für alle Mal abzuschließen. Stattdessen
     nervt er sich inzwischen selbst mit der Frage, warum er damals nicht den Mumm hatte, sein Rad in die Ecke zu feuern und souverän
     zwischen die beiden zu gehen. Er hätte diesem Sackgesicht deutlich zeigen sollen, zu wem Fiona gehörte.
    Aber vielleicht hatte er es schon vorher verbockt. Vielleicht hatte Fiona recht mit ihrer ständigen Kritik, er würde ihr nie
     zeigen, wie viel sie ihm eigentlich bedeute. Auch seine Kollegin Hilke versuchte ständig, ihm vor Augen zu führen, dass der
     ominöse Fremde nicht der Grund, sondern bloß der Auslöser dafür war, dass Fiona schließlich aus dem gemeinsamen Loft auszog.
    Sven mag Hilke und vertraut ihr, würde ihr aber genau |17| dies niemals ohne einen nennenswerten Grund verraten. Sie ist für ihn die Schwester, die er nicht hat. Und sie hat ihn in
     all den Jahren, die sie nun zusammen arbeiten, nie enttäuscht. Verletzt ja, aber nie mit böser Intention, sondern allenfalls
     weil sie in ihrer offenen und beinahe naiven Art gar nicht anders kann, als ihn mit unverblümten Aussagen wiederholt vor den
     Kopf zu stoßen. In der gesamten Zeit, in der sie sich das Büro im sechsten Stock teilen, hat sie ihn beinahe wöchentlich mit
     Äußerungen zum Nachdenken gebracht. Sie besitzt einfach Talent, immer den wunden Punkt zu treffen.
    «Du bist doch nur so schlecht gelaunt, weil du keinen guten Sex mehr hast», kam es erst vergangenen Montag über die Tische
     hinweg, als Sven mit derben Sprüchen über irgendwelche E-Mails schimpfte. «Wenn du deine kostbare Lebenszeit nächstes Wochenende wieder mit deiner bescheuerten Gilde im Internet verbringst,
     hab ich dich nicht mehr lieb!»
    Sven musste daraufhin schmunzeln. Hilke war verlegen gewesen, nachdem sie diesen mutigen Satz von sich gegeben hatte. Diesmal
     hatte sie sich etwas zu weit aus dem Fenster gewagt, das wusste sie. Nicht, weil sie ihn so direkt auf seine größte Schwäche,
     das Computerspiel ‹World of Warcraft›, angesprochen hatte. Eher wegen der vertraulichen Worte. Sven hatte sich daraufhin geräuspert
     und eilig etwas davon gemurmelt, dass er nächsten Samstag ohnehin keine Zeit habe, weil er dringend mal wieder bei seinem
     Vater vorbeischauen müsse.
    Auch für solche Besuche wäre es nur clever, endlich das Rad in Ordnung oder wenigstens in eine Werkstatt zu bringen, denkt
     Sven jetzt und verkriecht sich noch tiefer |18| hinter seiner Zeitung, deren Inhalt ihn allerdings kaum interessiert.
    Obwohl es für März bereits recht mild ist, trägt er noch immer seine alten braunen Lederhandschuhe, um in der Bahn ja keine
     Stellen berühren zu müssen, die bereits tausende andere Menschen vor ihm angefasst haben. Dieses enge Aneinanderquetschen
     zwischen den Türen ekelt ihn an. Beim Aussteigen beschließt er, den abgekühlten Kaffee wegzuwerfen.
    Jeder Montagmorgen macht ihm Woche um Woche bewusster, wie erbärmlich sich sein Leben derzeit
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