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SMS für dich

Titel: SMS für dich
Autoren: Sofie Cramer
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wohin er gehen würde.
    Wenn sie daran denkt, wie erleichtert sie gewesen war, dass sie allein zurückblieb und sich ungestört bei ihrer engsten Freundin
     Katja darüber auslassen konnte, wie unreif und verantwortungslos Ben trotz seiner 32   Jahre doch sei   … |10| Dann spürt Clara das schlechte Gewissen noch immer wie zersetzende Säure in ihrem gesamten Körper.
    Zwar hatte sie an jenem Abend immer ihr Handy im Blick gehabt, als sie mit Katja diskutierte, ob sie Ben einfach mal einen
     Denkzettel verpassen und entgegen ihrem normalen Verhalten für eine ganze Nacht abhauen sollte. Aber von Ben kam keine Nachricht.
     Dabei schickte er ihr ständig Nachrichten. Wann immer er eine Pause zwischen den Vorlesungen an der Uni hatte, mit seiner
     Band unterwegs war oder bei seinem Kumpel Carsten versackte. Schon allein weil er Claras Unmut erst gar keine Chance geben
     wollte, schickte er vorsorglich ein paar besänftigende Worte an «Lilime». Oder aber einfach nur ein Klingelzeichen.
    Als sie sich im «Cheers» begegnet waren, war Clara anfangs sehr skeptisch gewesen angesichts der zahlreichen Gerüchte, Ben
     Runge sei ein Frauenheld, einer, der sämtlichen Schönheiten Lüneburgs den Kopf verdreht habe. Doch Ben bemühte sich, ihr mit
     seinen SMS zu zeigen, dass er nur noch sie im Sinn hatte. Und so ließ er, wann immer er an sie dachte, kurz das Handy klingeln
     als eine Art Liebesbeweis.
    Seit jener grausamen Nacht aber erhält Clara weder ein Klingelzeichen noch eine Nachricht.
    Ben meldet sich überhaupt nicht mehr.
    Er bleibt für immer stumm.

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    |11| Clara
    Clara ist nervös. Ihre Schonzeit ist nun offiziell vorbei, denn heute ist ihr erster Arbeitstag nach Bens Beerdigung.
    Die Ärztin hatte ihr zwar angeboten, sie noch eine weitere Woche krankzuschreiben. Doch Clara sehnt sich inzwischen nach Struktur
     und Alltag. Sie erträgt es nicht mehr, nächtelang wach zu liegen und bis in den späten Vormittag hinein im Bett zu bleiben,
     ohne wirklich ausgeruht zu sein. Eher fühlt sie sich wie ein vergammeltes, trockenes Stück Brot. Wenn ihre Mutter sie anfangs
     nicht jeden Nachmittag zu einem kurzen Spaziergang genötigt hätte, würde sie sich womöglich immer noch nicht aus der Wohnung
     heraustrauen.
    Als sie das erste Mal allein zum Einkaufen unterwegs war, um ihren Vorrat an Dosensuppen aufzufüllen, hatte Clara das Gefühl,
     jeder könnte ihren Schmerz im Gesicht ablesen. Die Kassiererin hat ihr nicht einmal richtig in die Augen schauen können. Und
     Clara verspürte diesen unbeschreiblichen Drang, sofort hinauszuschreien: «Ja, mein Freund ist tot, und niemand weiß, warum!»
    Es gibt aber auch angenehmere Verbindungen zur Außenwelt, die ihr Kraft geben oder aber wenigstens keinen zusätzlichen Kummer
     bereiten. Niklas, ihr Chef, zum Beispiel hat sie jede Woche angerufen, um zu hören, wie es ihr ginge, und um ihr zu sagen,
     dass sie sich wegen ihres Jobs keine Sorgen zu machen bräuchte. Ihre Kollegin Antje würde sich um alles kümmern, könne ihr
     aber niemals den Posten als beste Graphikerin in der Agentur streitig machen.
    Clara weiß, dass Antje ohnehin wenig begeistert von der |12| Werbebranche ist und nicht versteht, wie Clara sich so in ihren Beruf reinhängen kann. Mittlerweile muss Clara sich auch selbst
     eingestehen, dass sie zu viele Abende allein in ihrem Büro verbracht hat, statt es sich zu Hause mit Ben gemütlich zu machen
     oder einfach das Leben mit ihm zu feiern. Immerzu hat sie perfekte Arbeit leisten und dem Kunden statt eines halbherzigen
     Entwurfs lieber gleich zwei herausragende Alternativen präsentieren wollen. Dennoch war es die größte Befriedigung, wenn der
     Auftraggeber sich dann für ihren Favoriten entschied. Clara kostete ihren Erfolg allerdings meist bloß stumm und immer nur
     für eine kurze Zeit aus.
    Im Grunde bin ich eine Einzelgängerin, denkt Clara, und wenn ich mich meinen Entwürfen widme, darf mich niemand stören. Ich
     versinke dann stundenlang in einen tranceartigen Zustand. Ein Zustand, der jetzt unerreichbar scheint, weil ihr die Realität
     unerbittlich den Weg in diese andere schöne Welt versperrt.
    Clara hofft, dass ihr die Arbeit guttun wird. Schließlich muss sie sich im Büro zusammenreißen und kann nicht Stunde um Stunde
     vor sich hin grübeln, was wohl alles in Ben vorgegangen war in jener Nacht und wie sie ohne ihn zurechtkommen sollte. Noch
     hat sie ihre Wahrheit nicht gefunden. Aber wenn Clara für wenige
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