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Slide - Durch die Augen eines Mörders

Slide - Durch die Augen eines Mörders

Titel: Slide - Durch die Augen eines Mörders
Autoren: Jill Hathaway
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Der Tag im Informatikraum, als Scotch Becker eine Wörterbuchseite aufrief und die Roboterstimme immer wieder »Nilpferd« sagen ließ. Ich hätte nie geglaubt, dass Sophie nach all dem, was er ihr damals angetan hat, überhaupt noch mit ihm sprechen würde. Allerdings hätte ich auch nicht geglaubt, dass sie mit Mattie oder Amber reden würde. Sie hängen erst mir ihr rum, seit sie abgenommen hat, und selbst jetzt denkt sich Amber mit Vorliebe neue Methoden aus, um sie zu quälen. Sie sagt ständig zu Sophie, ihr (nicht existenter) Arsch sei fett, oder fragt scheinheilig, ob sie das Stück Pizza wirklich essen will. Offensichtlich ist sie total eifersüchtig, weil Mattie und Sophie gute Freundinnen geworden sind. Sie versucht alles, um sie auseinanderzubringen.
    Mattie lugt zwischen den Fingern hervor. »Meinst du wirklich?«
    »Keine Sorge«, sagt Amber und holt ein grellrosa Handy heraus. »Ich weiß auch schon, wie wir ihr eine Lektion erteilen.«
     
    »Sylvia? Vee! Alles in Ordnung? Soll ich die Krankenschwester holen?« Sophie beugt sich besorgt über mich.
    Die Fliesen an meiner Wange sind kühl. Ich frage mich, wann sie zuletzt gewischt wurden. Ich setze mich auf und verdränge Visionen von wimmelnden Bakterien.
    »Nein, geht schon.«
    »O Gott, deine Stirn!«
    Ich taste und fühle einen dicken Knubbel.
    Sophie reißt mehrere Handtücher aus dem Spender und hält sie unter den Wasserhahn. Dann drückt sie das kühle, nasse Papier vorsichtig auf meine Stirn. Sie ist so verdammt mütterlich. Im letzten Herbst, als sie und Mattie zusammen Geburtstag gefeiert haben, backte sie vorher einen Schokoladenkuchen, verzierte ihn mit Schokoguss und M & Ms und platzierte bunte Kerzen so, dass sie Matties Namen schrieben. Von Mattie bekam sie nur einen Fertigkuchen auf einem Pappteller.
    Schon der Gedanke an diese Party deprimiert mich. Sophie ist so lieb, trotz ihrer blöden Freundinnen, meine Schwester eingeschlossen, die früher unschuldig und nett war, sich im letzten Jahr aber in eine richtige Schlampe verwandelt hat. Daran gebe ich Amber die Schuld.
    Die arme Sophie. Sie hat keine Ahnung, dass in eben dieser Sekunde zwei ihrer besten Freundinnen gemein über sie reden. Und offenbar vorhaben, ihr »eine Lektion zu erteilen«. Am liebsten möchte ich sie warnen, den beiden nicht zu vertrauen, aber wie würde es aussehen, wenn ich meine eigene Schwester schlechtmache? Und würde sie mir überhaupt glauben?
    Sophie hilft mir auf die Füße. Ich lehne mich ans Waschbecken und begutachte meine Stirn im Spiegel. So schlimm sieht es nicht aus. Vorsichtig betaste ich die Beule. Eine leichte Gehirnerschütterung. Vielleicht merkt mein Vater nichts.
    Sophie schaut mich im Spiegel an. »Ist wirklich alles in Ordnung?«
    Ich drehe mich zu ihr. Sie hat die Schultern gebeugt und den Kopf gesenkt. Ihre Beine sind zwei Stöcke, die unter ihrem Cheerleader-Röckchen hervorschauen. Sie wiegt höchstens fünfundvierzig Kilo.
    »Ja klar, alles ok. Wirklich. Und wie geht es
dir

    Sie bekommt diesen komischen Blick, und ich weiß nicht, ob sie gleich lacht oder heult.
    »Ich habe Geburtstag«, meint sie schließlich achselzuckend. »Mattie hat nichts gesagt. Du kannst deiner Schwester das hier geben. Ich habe es selbst gemacht.« Sie hält mir ein geflochtenes Freundschaftsband hin, wie man sie im Sommercamp macht. Es ist rot und golden, die Farben der Cheerleaderinnen.
    Ich kann garantieren, dass Mattie nichts für Sophie zum Geburtstag hat. Wieder überkommt mich der Drang, sie zu warnen, ihr zu sagen, dass sie sich andere Freundinnen suchen soll. Ich überlege, wie ich es am besten formulieren soll, und stecke das Armband ein, damit ich es nicht verliere.
    »Sophie …« Ich mache einen Schritt auf sie zu, aber sie verschwindet schon im Flur. Tränen laufen ihr übers Gesicht. Frustriert zerknülle ich das Papierhandtuch und ziele auf den Mülleimer. Ich verfehle ihn um Längen. Als ich das Handtuch aufheben will, fällt ein Dollarschein aus der Tasche meines Pullis. Er ist fleckig und fast in der Mitte durchgerissen.
    Scheiße. Deshalb bin ich wohl in Amber gewandert.
    Mir fällt ein, wie sie vor der ersten Stunde auf mich zugerannt kam und mir den zerrissenen Geldschein vor die Nase gehalten hat.
    »Der blöde Automat nimmt meinen Schein nicht«, heulte sie. »Ich brauche dringend Koffein. Hast du Kleingeld?« Sie flippte völlig aus. Es reichte, um einen emotionalen Abdruck auf dem Geldschein zu hinterlassen, den ich eine
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