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Slide - Durch die Augen eines Mörders

Slide - Durch die Augen eines Mörders

Titel: Slide - Durch die Augen eines Mörders
Autoren: Jill Hathaway
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bei ihm, trotz der Drei in der letzten Klausur. Ohne die Narkolepsie wäre ich eine absolut unauffällige Schülerin.
    »Sylvia, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragt er besorgt.
    »Klar«, sage ich und zermartere mir das Hirn, wie er auf diese Frage kommt. Ich verströme heute wohl eine schlechte Aura. »Wieso?«
    »Mir ist aufgefallen, dass du letzte Woche in der Klausur nur eine Drei hattest. Deine vorherigen Arbeiten waren von sehr viel höherer Qualität. Ich will mich nicht einmischen, aber hast du Probleme? Hast du nicht für die Arbeit gelernt?«
    Wenn ich wollte, könnte ich die Narkolepsie-Schiene fahren und sagen, ich hätte mich nicht konzentrieren können.
Ich mache eine schwere Zeit durch, habe mein Bestes versucht, ganz ehrlich
 … aber das wäre eine Lüge. Und Mr Golden ist ein Mensch, zu dem ich lieber ehrlich sein möchte.
    »Tut mir leid, Mr Golden, ich habe es einfach vergessen. Ich werde mir mehr Mühe geben.«
    Er beugt sich vor. »Hör mal, Sylvia, wenn du jemals Hilfe brauchen solltest, musst du dich nur melden. Du kannst auch nach der Schule vorbeikommen.«
    Ich schaue auf meine Füße und suche nach einem höflichen Weg, um sein Angebot abzulehnen. Das Problem besteht nämlich darin, dass ich mein Psychologiebuch seit einem Monat nicht aufgeschlagen habe.
    »Oh, danke, Mr Golden. Nach der Schule habe ich meist viel zu tun. Aber wenn ich mir Mühe gebe, wird die nächste Klausur sicher besser.«
    Er richtet sich auf. »Gut, aber denk dran. Ich bin immer für meine Schüler da.«
    Ich lächle und nicke, bevor ich gehe. Er folgt mir zur Tür und schließt sie mit einem deutlichen Klick.

3. Kapitel
    N ach der Schule steht Rollins an seinem Spind, in der Hand ein Stapel kopierter Hefte.
    »Und, was wollte Goldy von dir?«
    »Ach«, sage ich mit einer lässigen Handbewegung, »er wollte nur wissen, warum ich mich so hängenlasse. Ich habe gesagt, ich sei eben von Natur aus faul. Kann ich eins haben?« Ich deute auf die Hefte.
    Er holt ein in Folie geschweißtes Exemplar heraus. »Ich weiß ja, welche Angst vor Bakterien du hast«, zieht er mich auf. Damit habe ich ihm erklärt, wieso ich nicht gerne Dinge in die Hand nehme, die andere Leute angefasst haben – eine reine Zwangsstörung.
    Ich packe das Heft aus und schaue es mir an. Auf dem Cover steht
Angst und Schrecken in der Highschool Nr.  7
, darunter prangt das handgezeichnete Bild eines grotesken Hundes, der durch einen Flur mit Spinden läuft. Aus seinen tropfenden Lefzen baumeln Tütchen mit Gras und Pillen – vermutlich eine Anspielung auf die Verhaftung von Jimmy Pine.
    »Cool illustriert«, sage ich bewundernd.
    Rollins macht alle Zeichnungen und Texte mit Edding und kopiert sie dann. Alle paar Monate gibt es eine neue Ausgabe. Er verkauft die Hefte für einen Dollar bei
Eternally Vinyl
, dem Plattenladen, in dem er arbeitet. Die meisten aber verschenkt er einfach. Manchmal steckt er sie auch im Bus Leuten in die Tasche.
    Ich werfe einen Blick auf den Inhalt. Ein Artikel behauptet, dass die Schulleitung den Spind von Jimmy Pine ohne Durchsuchungsbefehl gar nicht hätte filzen dürfen. Rollins berichtet über ein Konzert von
Who Killed My Sea Monkeys
, einer örtlichen Band, und schreibt über die Heuchelei der Mitglieder von
Kluge Wahl
, einer Schülerorganisation gegen Drogenmissbrauch.
    Ich schlage Seite fünf auf und überfliege den Artikel mit dem Titel
Blöde Wahl: die Wahrheit über die Gutmenschen der City High
. Rollins hat das Foto von Samantha Phillips aus dem letzten Jahrbuch ausgeschnitten und ihre Hände mit Bierdose und Joint versehen. Samantha ist nicht nur die Anführerin der Cheerleaderinnen, sondern auch die Vorsitzende von
Kluge Wahl
. Sie macht es ganz bestimmt nur wegen ihrer Collegebewerbung – oder damit ihre Eltern nicht merken, dass sie trinkt. Sie konsumiert nämlich seit der Mittelstufe Weinmixgetränke.
    »Sehen wir uns heute Abend?« Rollins stopft die restlichen Hefte in seinen Rucksack und macht den Reißverschluss zu. Dann schaut er mich erwartungsvoll an.
    »Klar doch«, sage ich und versuche, meine Überraschung zu verbergen. Es ist eine alte Tradition bei uns, dass wir freitags abends Pizza bestellen und Horrorfilme ansehen, aber in den letzten beiden Wochen ist er nicht gekommen. »Ist ja schließlich Freitag«, füge ich schnell hinzu.
    Ich überlege gerade, wonach mir der Sinn steht –
Ring
oder
Der Exorzist
 –, als mir einfällt, dass Mattie Amber für heute Abend eingeladen
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