Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme
Autoren: Samuel R. Delany
Vom Netzwerk:
Junge, der den Zaun umgerissen hat«, sagte Rara.
    »Was will er?«
    »Ich weiß nicht. Heute nachmittag habe ich ihn zum erstenmal im Leben gesehen.«
    Er war dunkel und hatte dunkles Haar, aber als er näherkam, sahen sie, daß er meergrüne Augen besaß. »Sie verkaufen doch Sachen, was?«
    Rara nickte. »Was möchtest du kaufen?«
    »Ich will nichts kaufen«, sagte er. »Ich möchte Ihnen etwas verkaufen.« Er war barfuß; die Hose löste sich unterhalb der Knie in nichts auf, und sein ärmelloses Hemd besaß keine Knöpfe.
    »Was hast du schon zu verkaufen?« In ihrer Stimme schwang Skepsis mit.
    Er griff in die Tasche und holte einen grünen Flanell-Lumpen hervor, den er vorsichtig aufwickelte.
    Sie waren poliert, bis sie milchig schimmerten; einige rot und golden geädert, andere mit warmen Braun- und Gelbtönen durchsetzt. Zwei hatte er so stark gerieben, daß blankes Perlmutt seidig glänzte. Sie lagen wie kostbare Schätze auf dem schmutzigen grünen Lappen.
    »Das sind doch nur Muscheln«, sagte Rara.
    Alter berührte mit spitzem Zeigefinger eine weiße Uferschnecke. »Sie sind entzückend«, sagte sie. »Woher hast du sie?« Sie waren nagel- bis daumengroß.
    »Bei deiner verstorbenen Mutter, meiner leiblichen Schwester, wir können ihm keinen Zentiunit dafür geben, Alter. Ich hatte erst ein Bild verkauft, als mich dieser widerliche Beamte vertrieb.«
    »Ich fand sie am Strand«, erklärte der Junge. »Ich versteckte mich auf dem Boot und hatte nichts zu tun. Da rieb ich sie eben blank.«
    »Weshalb hast du dich versteckt?« fragte Rara. Ihre Stimme klang mit einem Mal scharf. »Du willst doch nicht sagen, daß du als blinder Passagier mitfuhrst?«
    »Doch.« Der Junge nickte.
    »Wieviel willst du dafür?« fragte Alter.
    »Wieviel? Wieviel würde denn eine anständige Mahlzeit und ein Schlafquartier kosten?«
    »Viel mehr, als wir uns leisten können«, unterbrach Rara. »Alter, komm mit. Der Junge bringt dich noch um deine zwei Units, wenn du ihm weiter zuhörst.«
    »Da.« Der Junge deutete auf die Muscheln. »Ich habe schon Löcher hineingebohrt. Du kannst sie auf eine Schnur fädeln und als Kette tragen.«
    »Wenn du Essen und einen Schlafplatz suchst, dann brauchst du kein Geld«, sagte Alter. »Du brauchst Freunde. Wie heißt du? Und woher kommst du?«
    Der Junge sah überrascht von seinen Muscheln auf. »Ich heiße Tel«, sagte er nach einer kleinen Pause. »Ich komme von der Festlandküste. Ich bin der Sohn eines Fischers. Ich dachte, ich könnte hier Arbeit in den Aquarien finden. Überall an der Küste spricht man von den Aquarien.«
    Alter lächelte. »Erstens bist du ziemlich jung …«
    »Aber ich bin ein guter Fischer.«
    »… und zweitens haben die Aquarien wenig mit der normalen Fischerei gemeinsam. Wahrscheinlich willst du jetzt sagen, daß es viele Arbeiten in den Aquarien und den Hydoponikanlagen gibt. Aber bei all den Einwanderern kommt auf drei Leute eine Stelle.«
    Der Junge zuckte mit den Schultern. »Nun, ich kann es versuchen.«
    »Das stimmt«, sagte Alter. »Komm mit uns.«
    Rara zeigte sich verstimmt.
    »Wir nehmen ihn mit zu Geryn und sehen, ob wir etwas zu essen finden. Vielleicht kann er eine Weile bleiben, wenn Geryn Gefallen an ihm findet.«
    »Du kannst nicht jeden kleinen Jungen mit zu Geryn nehmen. Es wird ohnehin zu eng dort. Und wenn er nun keinen Gefallen an ihm findet? Wenn er uns zusammen mit dem Kleinen vor die Tür setzt?« Das Muttermal auf ihrer linken Wange wurde dunkler.
    »Bitte, Tante Rara«, sagte Alter. »Ich spreche mit Geryn.«
    Wieder schmollte Rara. »Komisch, wenn wir mit der Miete zwei Wochen im Rückstand sind, kannst du kein freundliches Wort für den Alten über die Lippen bringen – selbst wenn er droht, uns auf die Straße zu setzen. Aber für eine Handvoll hübsche Muscheln …«
    »Bitte …«
    Eine Brise strich durch die enge Gasse und ließ Alters helles Haar flattern. »Außerdem hat Geryn vielleicht Verwendung für ihn. Wenn Tel als blinder Passagier mitfuhr, hat er bestimmt keine Papiere.«
    Tel runzelte verwirrt die Stirn.
    Rara sah ihre Nichte strafend an. »Du sollst über diese Dinge nicht sprechen.«
    »Sei nicht albern«, entgegnete Alter. »Das ist doch nur so ein Hirngespinst von Geryn. Es wird nie eintreten. Und ohne Papiere kann Tel keine Arbeit bei den Aquarien bekommen, selbst wenn sie ihn brauchen. Falls Geryn also glaubt, er könnte ihn irgendwie für seinen verrückten Plan verwenden, dann ist das noch besser für Tel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher