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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01
Autoren: Irvine Welsh
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wieder öffnen.«
    Dann setzt sich der Bus in Bewegung. Andy hat sich mittlerweile das Hemd eines Kollegen um den Kopf gebunden, um die Blutung zu stoppen. Mein Dad sitzt neben ihm und hat seinen Arm um ihn gelegt. Seine eigene Hand hat er mit einem improvisierten Verband versorgt. Andy murmelt: »So was hab ich noch nie gesehn, Davie … ich kann’s gar nich fassen …«
    Ich sitze da, mit einem ekelhaften Ziehen im unteren Rücken, und überlege, von wie weit oben die Anweisung für dieses Blutbad wohl gekommen sein mag … Polizeipräsident? Innenminister? Thatcher? Egal, ob sie selbst den Befehl dazu gegeben haben oder nicht, Bescheid wussten sie auf jeden Fall. Gesetze gegen die Gewerkschaften einerseits, Gehaltserhöhungen für die Bullen andererseits – und nebenbei beschneiden sie im öffentlichen Sektor den Leuten die Kohle und kürzen die Leistungen. Alles scheint auf Konfrontation ausgelegt. Kein Wunder, dass die Bullen heute so eifrig bei der Sache waren.
    Als der Bus auf die Autobahn fährt, herrscht Totenstille. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Doch irgendwann wird der Alk rausgekramt, und die Leute trinken gehörig. Dann beginnen die Jungs trotzig, ihren Slogan »Victory to the Miners!« zu skandieren – immer lauter, immer überzeugter. Irgendwie fühlt es sich aber nicht besonders toll oder gar glorreich an. Viel eher kommt es mir so vor, als hätte man uns gelinkt. Als würden wir gerade aus Hampden zurückkommen, wo der Schiri einem der beiden Old-Firm-Clubs in letzter Minute einen Elfmeter geschenkt hat.
    Draußen ist es verdammt heiß, der Fahrer hat die Klimaanlage angeschmissen. Ich sitze schweigend da, hab meinen Kopf ans Fenster gelehnt und schaue zu, wie die Scheibe von meinem Atem beschlägt. Mir tut alles weh, besonders mein Arm. Jeder Atemzug fühlt sich an wie ein verdammter Schlag gegen die Wirbelsäule.
    Da sind ein paar Jungs im hinteren Teil des Busses, die trotzige Lieder der irischen Republikaner singen und dazu mit den Füßen auf den Boden stampfen. Nach kurzer Zeit kommen noch ein paar Pro-IRA-Slogans dazu.
    Irgendwann wird’s meinem Dad zu viel. Wütend springt er auf und zeigt drohend mit dem Finger seiner noch immer blutenden Hand in Richtung der singenden Gruppe. »HÖRT AUF, DIESN SCHEISS ZU SINGN, IHR VERDAMMTEN IRA-TERRORISTENSCHWEINE! DAS SIND KEINE SOZI-LIEDER UN AUCH KEINE GEWERKSCHAFTS-LIEDER, IHR FENIER-DRECKSÄCKE!«
    Daraufhin steht hinten ein hagerer, kleiner Typ auf und brüllt zurück: »VERPISS DICH DOCH, DU UVF-TORY-BASTARD!«
    »ICH BIN KEIN VERDAMMTER TORY … du, du verfluchter …« Wie ein wilder Stier stürmt mein alter Herr nach hinten. Ich setze ihm sofort nach, greife seinen Arm und versuche, ihn zurückzuhalten. Obwohl wir ungefähr gleich groß sind, kann ich ihm nicht viel entgegensetzen, da ich im Vergleich zu meinem Dad eher schmächtig gebaut bin. Zum Glück kommt mir Cammy zu Hilfe, und zusammen halten wir den Alten fest. Die Typen hinten im Bus brüllen meinen Vater an, und er brüllt natürlich zurück. Alle anderen versuchen, die Streithähne zu beruhigen. Mit viel Mühe schaffen es Cammy und ich, den Alten wieder in Richtung unserer Sitzplätze zu ziehen. Wir stehen noch, als der Bus einen kurzen Schlenker macht. Ein lähmender Schmerz schießt durch meinen Rücken und treibt mir die Tränen in die Augen.
    Diese verfickten Weedgies, immer und überall kommen sie mit ihrem beschissenen Fußball und diesem Irland-Mist an.
    Als wir endlich wieder auf unseren Plätzen sitzen, kommt einer der Typen von hinten zu uns und entschuldigt sich. Es ist der mit der großen Klappe von eben, der Hagere. Er hat praktisch kein Kinn, dafür aber riesige und reichlich windschiefe Zähne. »Sorry wegen der Sache eben, Großer. Hast ja recht, falsches Lied, falscher Ort …«
    Mein Vater nimmt die Entschuldigung nickend an, und der Hagere reicht ihm ne Flasche Grouse. Nach einem Versöhnungsschluck hält mein Alter mir die Flasche hin. Die Biberfresse besteht darauf, dass wir alle zusammen einen trinken. Ich winke ab. Verdammt will ich sein, wenn ich von diesem Wichser nen Drink oder sonst irgendetwas annehme, von dieser Whisky-Plörre ganz zu schweigen.
    »Schon in Ordnung. Wir sin halt alle noch ziemlich aggro«, meint mein Vater und nickt zu Andy rüber, der nen Plemplem-Blick vor dem Herrn draufhat und unter Schock zu stehen scheint.
    Die beiden fangen an, über die Ereignisse des Tages zu quatschen, und liegen sich kurz darauf in den Armen, als
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