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Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Titel: Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe
Autoren: Martin Clauß
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„Oder sie sind in ein Boot gestiegen.“
    „Oder ertrunken“, meinte Sabel. „Der Strom sieht tief aus.“
    Schorge watete furchtlos hinein. Im ersten Drittel war das Gefälle nur schwach, doch plötzlich verschwand er in einer tiefen Rinne. Das Wasser schlug über seiner Glatze zusammen. Nach einer Schrecksekunde wurde das Wasser aufgewühlt, und er arbeitete sich mit einem unbeschreiblichen Schwimmstil wieder nach oben. „Ein Ogr geht nicht unter“, rief er prustend. „Felsen gehen unter. Ein Ogr ist kein Fels.“
    „Es wird schwierig sein, den Fluss ohne Boot zu überqueren. Nicht alle von uns können schwimmen.“ Jaque richtete den Blick auf Arthuris und dann auf Mad Kao. Der Ritter würde mit Schwert und Rüstung nicht ans andere Ufer gelangen, und sie bezweifelte, dass er sich von seiner Waffe trennen wollte. Ebenso wenig, wie Mad Kao ihre Kutte ausziehen würde …
    „Kann N’n schwimmen?“, warf Sunray ein, und die anderen dachten für einen Moment perplex über die Frage nach, ehe Mad Kao sich leise zu Wort meldete.
    „Es gibt einen Weg“, sagte sie.
    „Ach? Es gibt einen Weg?“ Sabel war nahe an sie herangetreten. „Sollen wir vielleicht durch Meditation hinüberfliegen?“
    Jaque kniff die Lippen zusammen und legte vorsichtig eine Hand auf Sabels Schulter. Als das Körperglied eine Sekunde später noch nicht in Scheiben geschnitten war, hatte sie das Gefühl, noch eine vielversprechende Zukunft vor sich zu haben. „Lass sie reden“, bat Jaque sanft.
    Mad Kao schlug ihre Kapuze diesmal von alleine zurück. Ihre Augen wirkten lebendiger als sonst, voller Emotion. „Wir sind nicht alleine hier“, sagte sie.
    Felinep stieß ein Fauchen aus und schnupperte. Sabel und Arthuris ließen aufgeregt die Blicke kreisen, doch da war nichts. „Wir sind alleine“, meinte Sabel nach einer Weile.
    „Ihr versteht nicht. Menschen sind niemals alleine“, beharrte Mad Kao. „Sie haben Gefährten, unsichtbare Begleiter.“
    „N’n!“, rief Sunray, und es klang, als klebe ihre Zunge am Gaumen fest. „Die Luft ist warm und würzig, und ich fühle mich, als würde mich jemand besuchen …“
    Mad Kao wandte sich nicht einmal zu ihr um. „Es ist nicht N’n, den ich meine. N’n ist hier, aber er kann nichts für uns tun. Sind wir nicht in westlicher Richtung unterwegs, die ganze Zeit schon? Haben wir uns damit nicht dem Engel des Westens empfohlen? Dürfen wir ihn nicht um einen Gefallen bitten?“
    „Der Engel des Westens“, echote Sunray. „Ein schwarzes, unwirkliches Geschöpf, das nach verkohlter Erde riecht. Ich weiß nicht …“
    „Du verwechselst ihn“, widersprach Jaque. „Du beschreibst gerade den Engel des Ostens. Der Engel des Westens ist eine Frau, mit weißblondem Haar und von blendender Schönheit – zumindest, wenn man den Schriften glauben darf. Ich kann mich nicht erinnern, ihm, oder ihr , je begegnet zu sein.“
    „Der Name der Engelin ist Angelor“, erklärte Mad Kao. „Sie gilt als hilfsbereit.“
    Sabel hob die Schultern. „Engel sind zweischneidige Schwerter“, gab sie zu bedenken. „Sie haben viel Macht. Sehr viel Macht.“ Etwas auf ihrem Gesicht sagte Jaque, dass die Schwarzhaarige schon einmal eine unliebsame Erfahrung mit einem Engel gemacht haben musste. Sie ahnte auch, dass sie diese Geschichte nie erfahren würde. Wie viele Narben mochten sich unter den breiten Lederriemen verbergen, die Sabels Kleidung waren? Befand sich auch eine darunter, die ihr von einem Engel beigebracht worden war?
    „Ich möchte Angelor sehen“, quengelte Schorge, der sich die nassen Kleider auswrang. „Ich möchte Angelor sehen.“
    „Das nennt man nicht gerade eine Engelsgeduld“, kommentierte Barabald.
    Mad Kao schloss die Augen, ließ den Kopf ein wenig sinken, stellte sich auf die Zehenspitzen, schwankte leicht hin und her. Ihre Arme und ihr gesamter Körper waren noch immer unter der schwarzen Kutte verborgen, nur auf ihre Füße konnte man einen Blick erhaschen. Klein und weiß waren sie. Sie hatte die Reise barfuß auf sich genommen.
    Wenn man sich still verhielt, konnte man einen Gesang hören, den sie mit geschlossenem Mund vortrug. Es war eine Melodie, die beinahe ein Kinderlied hätte sein können. Es gab nur ganze Töne, und der Rhythmus war monoton. Allerdings wiederholte sich keine der Tonfolgen.
    Zunächst geschah nichts. In einem Halbkreis standen die anderen hinter ihr – der Weg zum Fluss, nach Westen, blieb frei. Der Strom rauschte, und Jaque versuchte
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