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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Dienerschaft tötete. – Ein feiner Kamerad! Panna, geben Sie mir nochmals Ihr Händchen! – Ach, es ist Zeit, daß ich mich auf den Weg mache.«
    Die große Danziger Uhr im Eßzimmer schlug Mitternacht.
    »Mein Gott, es ist Zeit, höchste Zeit!« schrie Kmicic auf. »Eins nur bitte ich Sie, Panna, lieben Sie mich ein wenig.«
    »Später, – später, – Sie werden mich doch besuchen?«
    »Täglich! Selbst wenn die Erde mich zu verschlingen drohte.«
    Kmicic stand auf und ging in Begleitung der Hausfrau in die Diele. Sein Schlitten stand schon vor der Auffahrt.
    »Gute Nacht, meine Königin,« sagte der Ritter, »schlafen Sie gut. Ich für mein Teil werde kein Auge zutun, immer werde ich an Sie denken.«
    »Ich werde Ihnen doch lieber einen Diener mit einer Laterne mitgeben; denn bei Wolmontowicze gibt es viele Wölfe!«
    »Bin ich ein Schaf, daß ich mich vor Wölfen fürchte! Der Wolf ist der Freund der Soldaten, oft genug kriegt er von ihm Almosen. Auch habe ich meine Waffe bei mir. – Gute Nacht, meine Teure, gute Nacht!«
    »Mit Gott!«
    Alexandra ging in das Wohnzimmer zurück, und Pan Andreas trat auf die Veranda. Beim Gehen warf er noch einen Blick auf die halbgeöffnete Tür der Gesindestube. Die Mädchen waren noch auf, um den angekommenen Gast noch einmal zu sehen. Pan Andreas warf ihnen eine Kußhand zu und sprang fröhlich auf den Schlitten. Bald hörte man das Geklingel der Schellen; zuerst laut, dann immer leiser, und zuletzt verlor es sich ganz in der Ferne.
    Es wurde still in Wodokty, so still, daß Panna Alexandra sich darüber wunderte. Vor ihren Augen stand noch die stattliche Figur des jungen Mannes, in ihren Ohren klangen noch seine Worte, sie hörte sein aufrichtiges, fröhliches Lachen, – und jetzt, nach diesem Gewirr von Lustigkeit und Lachen, umgab sie eine so seltsame Ruhe. – Alexandra strengte sich an, ob sie nicht noch einen Ton der Glöcklein hören könnte, aber nein, sie klingelten jetzt schon in den Wäldern von Wolmontowicze. Und eine quälende Sehnsucht erfaßte das Mädchen; – noch nie im Leben hatte sie sich so einsam gefühlt.
    Sie nahm eine Kerze und ging langsam in ihr Schlafzimmer; hier begann sie zu beten. Fünfmal mußte sie von vorn anfangen, ehe sie das Gebet einmal richtig beendete. – Wie auf Flügeln eilten ihre Gedanken hinter dem Schlitten und der darin sitzenden Gestalt her ... Wald auf der einen Seite, – Wald auf der anderen Seite, in der Mitte ein breiter Weg, auf dem er dahinsaust! Zum Greifen deutlich sah Panna Alexandra seinen blonden Schopf, die grauen Augen, die lachenden Lippen und die weißen, scharfen Zähne vor sich. Vergeblich versuchte sie sich selbst zu verheimlichen, wie sehr ihr dieser waghalsige Ritter gefallen habe. Ein wenig hatte er sie beunruhigt, ein wenig erschreckt, aber seine Kühnheit, Fröhlichkeit und Aufrichtigkeit hatten sie doch ganz besiegt. Errötend gestand sie sich, daß selbst sein Hochmut ihr gefiel, wie er mit stolz zurückgeworfenem Kopfe sagte: »Selbst die Fürsten Radziwills haben hier nichts zu suchen.« – Das ist kein schwacher, verweichlichter Mensch. Ein echter Mann und ein Soldat, so recht wie ihn der Großvater liebte, – – – der ist's wohl wert,« so dachte die Panna. Und bald ergriff sie ein ungetrübtes Glücksgefühl, bald eine Unruhe, aber selbst diese war wohltuend.
    Sie begann sich auszuziehen, als die Tür knarrte, und Panna Kulwiec mit einer Kerze in der Hand hereintrat.
    »Ihr seid lange beisammen gewesen,« sagte sie. »Ich wollte euch nicht stören, daß ihr euch nach Herzenslust aussprechen konntet. Es scheint ein guter Mensch zu sein. Und was meinst du, Alexandra?«
    Panna Alexandra antwortete nicht gleich. Sie lief nur auf die Tante zu, umarmte sie und verbarg ihr Goldköpfchen an ihrer Brust. Dann seufzte sie leise: »Ach, Tantchen, Tantchen!«
    »Oho!« murmelte die alte Panna mit gen Himmel geschlagenen Augen.

2. Kapitel.
    Im Herrenhause zu Lubicz, wohin Pan Andreas fuhr, waren alle Zimmer hell erleuchtet, und wüster Lärm ertönte bis auf den Hof hinaus. Beim ersten Klang der Schellen stürzte die ganze Dienerschaft heraus, um ihren neuen Gebieter, Pan Andreas, zu empfangen. Der alte Verwalter stand mit Salz und Brot und machte eifrig tiefe Bücklinge. Kmicic nahm seine Börse und warf sie auf die Schüssel. Erstaunt, daß von seinen Kameraden keiner herausgekommen war, fragte er nach ihnen.
    Die aber konnten nicht zu seiner Begrüßung kommen. Seit drei Stunden saßen sie schon
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