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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Mardermützchen, das ihr vortrefflich stand.
    Alle traten ins Freie.
    Zuerst stand ein Schlitten, der die Gestalt eines weißen Bären hatte.
    »Wir fahren wohl mit diesem Schlitten?« fragte das Mädchen, auf den weißen Bären zeigend. »Ich habe noch nie einen schöneren Schlitten gesehen!«
    »Er ist eine Kriegsbeute. Wir sind Verbannte, der Krieg hat uns unsere Güter geraubt, so bleibt uns nichts übrig, als vom Kriege zu leben. Ich habe ihm treu gedient, darum hat er mich auch belohnt.«
    »Den einzelnen belohnt er, und das ganze Land verwüstet er.«
    Kmicic legte Panna Alexandra noch eine weiße Tuchdecke, die mit weißem Wolfspelz gefüttert war, über, setzte sich zu ihr, rief dem Kutscher »fahr« zu, und die Pferde eilten davon. – Die übrigen folgten in den drei anderen Schlitten.
    Sie fuhren schweigend dahin. Man hörte nur das Knirschen des Schnees, das Schnauben der Pferde und die antreibenden Worte der Kutscher.
    Plötzlich neigte sich Pan Andreas zu Alexandra.
    »Ist Ihnen gut so, Panna?«
    »Ja, gut,« antwortete sie und schützte ihr Gesicht mit dem Ärmel vor dem kalten Wind.
    Die Schlitten rasten dahin. Es war ein klarer, frostiger Wintertag. Wie Millionen verschiedenfarbiger Funken erglänzte der Schnee. Aus den Schornsteinen der Hütten, die am Wegen lagen, stiegen rosige Rauchsäulchen empor. Und neben den Schlitten kreisten mit lautem Krächzen Scharen von Krähen. Zwei Meilen von Wodokty entfernt führte der Weg durch einen dichten, schweigsamen, unter der starken Schneedecke eingeschlafenen Wald. Die Bäume schienen an ihnen vorüberzulaufen, und schneller und schneller flogen die Schlitten dahin, gleich, als ob den Pferden Flügel gewachsen wären.
    Eine solche Fahrt macht schwindelig, und auch bei Alexandra begann sich alles im Kopfe zu drehen. Sie lehnte sich in den Schlitten zurück und schloß die Augen. Eine süße Mattigkeit beschlich sie. Es schien ihr, als ob dieser Bojar sie entführe, sie aber nicht die Kraft zu schreien oder sich zu wehren habe. Und sie fliegen dahin, rascher und rascher. Alexandra fühlte, daß sie umarmt wird, sie fühlte auf ihrer Wange die Berührung von weichen, warmen Lippen; aber ihre Augen wollen sich nicht öffnen, sie liegt wie im Traume. Und sie fliegen, – fliegen.
    Die Panna wurde durch eine Stimme geweckt.
    »Liebst du mich?«
    Sie öffnete die Augen.
    »Aber alles, – wie meine Seele!«
    »Und ich liebe dich mehr als Leben und Tod!«
    Wieder neigte sich Kmicic' Zobelmütze über Alexandras Mardermützchen. Sie war wie berauscht; war's von den Küssen, war's von dieser sinnbetörenden Fahrt? Alexandra wußte es selbst nicht.
    »Bis ans Ende der Welt möchte ich so mit dir fahren!«
    »Und ist es nicht Sünde?« flüsterte Alexandra.
    »Sünde? So laß mich noch einmal sündigen!«
    »Das geht nicht, bald sind wir in Mitruni.«
    »Mitruni nah oder weit, das ist gleich.«
    Plötzlich vernahm man aus dem letzten Schlitten ein verzweifeltes Geschrei: »Halt! Halt!«
    Pan Andreas war zornig und erstaunt. Er drehte sich um und sah mehrere Schritte von seinem Schlitten entfernt einen Reiter, der in rasendem Galopp heransprengte.
    »Mein Gott! Das ist mein Wachtmeister Soroka! Da ist irgend etwas passiert!« sagte Pan Andreas.
    Der Wachtmeister hielt sein Pferd an, das sich hoch aufbäumte.
    »Pan Rittmeister,« sagte er atemlos.
    »Was ist los, Soroka?«
    »Upita brennt ... Eine Schlägerei ist entstanden!«
    »Jesus Maria!« schrie Alexandra auf.
    »Fürchten Sie nichts, Panna. – Wer schlägt sich dort?«
    »Ihre Soldaten mit den Städtern. – Der Marktplatz brennt. Die Städter haben nach Poniewiez geschickt, die Garnison zu alarmieren. – Und ich bin hierher geeilt, um es Euer Gnaden zu melden!«
    Inzwischen kamen die anderen Schlitten an; die Offiziere umringten die Sprechenden.
    »Was gab den Grund dazu?« fragte Kmicic.
    »Die Städter wollten weder Proviant für die Mannschaften noch Fourage für die Pferde liefern. Die Soldaten nahmen sich alles mit Gewalt und zündeten zwei Häuser an. Jetzt ist überall Aufruhr, die Glocken läuten.«
    Kmicic' Augen begannen vor Zorn zu funkeln.
    »Wir müssen zu Hilfe eilen!« schrie Kokosinski.
    »Sie werden unsere Soldaten besiegen,« rief Ranicki: »Schande, Blamage!«
    »Wer an Gott glaubt, muß drauf loshauen! Zum Teufel mit ihnen!« fügte Zend hinzu.
    »Ruhig!« donnerte Kmicic. »Kein Gemetzel. Verteilt ihr euch auf zwei Schlitten, den dritten laßt mir. Ihr fahrt nach Lubicz und wartet dort
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