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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Leutezimmer. – Bitte, folgen Sie mir in die anderen Gemächer. Nach dem langen Weg tut Ihnen Ruhe gut.« Und dann wandte sich Alexandra zur Panna Kulwiec:
    »Und Sie, Tante, kommen wohl mit uns!«
    »Tante?« fragte schnell der junge Ritter. »Was für eine Tante?«
    »Hier, meine Tante, Panna Kulwiec.«
    »Dann auch die meine,« antwortete Pan Andreas und küßte Panna Kulwiec die Hand. »Bei uns im Banner gibt es einen Offizier mit Namen Kulwiec. Wohl ein Verwandter von Ihnen, Panna?«
    »Ja,« sagte die alte Panna und knixte.
    Die Hausfrau und der Gast gingen in die Diele, wo Pan Andreas seinen Pelz ablegte, und von dort aus in die Empfangszimmer. Panna Kulwiec eilte, ein Nachtmahl herzurichten, und so blieben Alexandra und Pan Kmicic allein.
    Pan Kmicic blickte unverwandt auf Alexandra, und in seinen Augen entbrannte ein tiefes Feuer.
    »Es gibt Menschen,« brach er endlich das Schweigen, »die Reichtum über alles in der Welt schätzen, – andere lieben die Kriegsbeute, wieder andere lassen ihr Liebstes für Pferde, – ich aber würde Sie um nichts in der Welt hergeben! Das schwöre ich bei Gott! Je länger ich Sie ansehe, je eher möchte ich Sie zum Altare führen, – am liebsten morgen schon! – Diese Brauen! – Diese Augen! Wie des Himmels Bläue am Sommertage! Ihr Anblick verwirrt mich so, daß ich kaum Worte finde –«
    »Mir scheinen Sie gar nicht sehr verwirrt zu sein. Sie sprechen mit mir, daß ich gar nicht weiß –«
    »Das ist unsere Smolenskaer Art. – Auf ein Weib und auf den Feind kühn drauf los! – Daran, o Königin, werden Sie sich noch gewöhnen; denn so wird es immer sein!«
    »Das, Ritter, werden Sie sich noch abgewöhnen; denn so darf es nicht sein.«
    »Mag man mich hängen! Ihnen werde ich mich vielleicht auch unterwerfen. Glauben Sie es oder nicht, aber ich bin bereit, für Sie den Mond vom Himmel herunterzuholen. Für Sie, meine Gebieterin, bin ich bereit, fremde Sitten zu lernen. – Ich weiß, ich bin nur ein rauher Kriegsmann und habe mich mehr im Lager als in Empfangsräumen bewegt.«
    »Das tut nichts! Auch mein Großvater war Soldat. – Ich aber danke Ihnen für Ihren guten Willen,« sagte Alexandra und sah Pan Andreas so freundlich an, daß sein Herz erzitterte. »Sie werden mich immer regieren können!« rief er aus.
    »O, Sie sehen nicht aus wie einer, der sich beherrschen läßt! Unstete Leute sind am schwersten zu regieren.«
    Kmicic lächelte und zeigte eine Reihe weißer, scharfer Zähne.
    »Wie! Sollten die heiligen Meister in der Schule noch zu wenig Ruten an mir zerbrochen haben, damit ich lerne, mich gesittet zu benehmen, und die wichtigsten Lebensregeln behalte, – und ich –«
    »Nun, welche Regel haben Sie denn am besten behalten?«
    »Wenn du liebst, so sollst du zu Füßen fallen, – so –«
    Im gleichen Augenblick lag Pan Andreas auf den Knien, und das Mädchen schrie auf und verbarg eiligst ihre Füße unter dem Tisch.
    »Um Gottes willen! So etwas lehrt man doch nicht in der Schule! Stehen Sie sofort auf, oder ich werde ärgerlich! Und die Tante kommt gleich!«
    Er hob den Kopf und sah ihr fest in die Augen.
    »Mag ein ganzes Regiment von Tanten kommen; – sie können mir nicht verbieten, Sie zu lieben.«
    »So stehen Sie doch auf!«
    »Ich stehe schon auf.«
    »Setzen Sie sich!«
    »Ich sitze.«
    »Sie sind ein Treuloser, ein Verräter!«
    »Das ist nicht wahr! – Verräter küssen nicht so aufrichtig! Wollen Sie sich überzeugen!«
    »Unterstehen Sie sich nicht!«
    Panna Alexandra lachte, und auf seinem Gesicht erstrahlten Jugend und Frohsinn. Seine Nasenflügel bebten leise wie bei einem edlen Araberhengst.
    »Oh, oh!« rief er, »diese Augen! Dieses Gesichtchen! Steht mir bei, alle Heiligen, ich kann nicht sitzen bleiben!«
    »Man darf die Heiligen nicht anrufen! Vier Jahre haben Sie ruhig sitzen können, ohne mit einem Auge hierher zu blicken. So bleiben Sie nur ruhig jetzt weiter sitzen.«
    »Ich habe doch nur Ihr Bild gekannt! Ich werde diesen Taugenichts von Maler mit Teer begießen und dann mit Federn beschütten und auf dem Markt zu Upita herumführen lassen. – Ich werde ganz aufrichtig zu Ihnen sein: Wollen Sie mir vergeben? Vergeben Sie? – Nein? – So reißen Sie mir den Kopf herunter. – Als ich Ihr Bild sah, dachte ich, häßlich ist sie nicht; aber solche laufen eine Menge in der Welt umher, – es hat also keine Eile. Mein seliger Vater drängte, ich solle herreisen. Ich aber blieb dabei, es hat Zeit. Die Pannas gehen nicht
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