Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
als Antwort auf ihren Ruf, vernahm man von draußen, aus der schneebedeckten Ferne, Schellengeläut.
    Panna Alexandra fuhr zusammen, gleich aber faßte sie sich. Sie erinnerte sich, daß man fast allabendlich aus Pacunele einen Boten nach Heilmitteln für den jungen Oberst schickte. Auch Panna Kulwiec dachte daran, denn sie sagte:
    »'s wird wohl ein Bote von Gasztowts sein.«
    Das ungestüme Klingeln eines Glöckchens näherte sich mehr und mehr, bis es schließlich mit einem Male verstummte. Ein Schlitten hielt vor dem Hause.
    »Sieh nach, wer gekommen,« sagte Panna Kulwiec zu dem Smudier.
    Dieser ging hinaus, kam aber gleich zurück, und indem er seine Arbeit wieder aufnahm, sagte er phlegmatisch:
    »Kmicic.«
    Die Spinnerinnen sprangen von ihren Plätzen auf, die Spindeln fielen zur Erde.
    Panna Alexandra stand auch auf; ihr Herz schlug heftig. Zuerst bedeckte eine helle Röte ihr Gesicht, dann erblich sie. Sie wandte sich absichtlich vom Kamin fort, um ihre Verlegenheit zu verbergen.
    In der Tür erschien eine hohe, mit einem Pelz und einer Pelzmütze bekleidete Gestalt. Der junge Mann trat in die Mitte der Stube, und da er bemerkte, daß er sich im Gesindezimmer befand, fragte er, ohne die Mütze abzunehmen, mit helltönender Stimme:
    »He! Wo ist denn eure Panna?«
    »Hier!« antwortete in ziemlich festem Tone Panna Alexandra.
    Der Angekommene nahm die Mütze ab, warf sie zur Erde und verbeugte sich tief.
    »Ich bin Andreas Kmicic.«
    Panna Alexandra streifte mit einem Blick das Gesicht des Gastes, dann schlug sie die Augen nieder. Sie hatte genügend Zeit gehabt, um das goldblonde Haar, die brünette Gesichtsfarbe, die glänzenden, grauen Augen, den schwarzen Schnurrbart und das junge, adlergleiche, muntere, ritterliche Gesicht Pan Andreas' zu sehen. –
    Er stand mit in die Seite gestützter Hand, drehte mit der rechten seinen Schnurrbart und sprach:
    »Ich war noch nicht in Lubicz; schnell wie ein Vogel eilte ich hierher, um der Panna meine Ehrfurcht zu erzeigen. Ein Wind brachte mich geradeswegs vom Lager nach hier – ich hoffe, ein glücklicher.«
    »Wußten Sie von dem Tode des Kammerherrn, – des Großvaters?« fragte die Panna.
    »Ich wußte es nicht: aber als ich es erfuhr, habe ich ihn mit bitteren Tränen beweint. Er war meinem verstorbenen Vater ein Freund, ein Bruder. Sie wissen wohl, daß er vor vier Jahren bei uns in Orsza war. Damals versprach er mir Ihre Hand; er zeigte mir Ihr Bild, zu dem ich nachts betete. Ich wäre gern früher gekommen; aber der Krieg führt einen nur mit dem Tode zusammen.«
    Alexandra errötete leicht ob dieser kühnen Rede, und um das Gespräch auf ein anderes Gebiet zu lenken, fragte sie:
    »In Lubicz sind Sie also noch nicht gewesen?«
    »Dazu wird es noch immer Zeit sein. Hier liegt meine heiligste Pflicht, hier ist das wertvollste Geschenk Ihres seligen Großvaters, zu dem es mich zu allererst zog. Aber Sie wenden sich so, daß ich Ihnen nicht in die Augen sehen kann. Drehen Sie sich doch um, – so kann ich Sie sehen! So!«
    Der kühne Soldat faßte unerwartet Panna Alexandra am Arm und drehte sie zum Feuer. Sie wurde noch verlegener, senkte die Lider und stand ganz bestürzt vor ihm. Endlich gab Kmicic sie frei und klatschte laut in die Hände. »Bei Gott, eine seltene Schönheit. Tausend Messen stifte ich für die Seele meines Wohltäters! – Und wann soll die Hochzeit sein?«
    »Gemach! Nicht so bald, noch bin ich nicht die Ihre.«
    »Aber Sie werden die meine! Und wenn ich Ihr Haus in Brand setzen müßte! Bei Gott! Sie werden mein! Und ich, Tor, glaubte, Ihr Bild sei geschmeichelt. Jetzt sehe ich, der Maler war ein Stümper, nicht ein Hundertstel Ihrer Schönheit hat er wiedergegeben. Stockschläge verdiente er! Zäune kann er wohl anstreichen, aber er soll seine Kunst nicht an einer blendenden Schönheit versuchen! – Wahrhaftig, ein großartiges Vermächtnis!«
    »Der Großvater hatte recht, als er mir sagte, Sie seien ein Hitzkopf.«
    »Wir, im Smolenskaer Bezirk, wir sind alle so, nicht wie Ihr in Smudien. – Bei uns heißt's: Eins, zwei, drei! Und alles muß gehen, wie wir es wollen, sonst Tod und Teufel!«
    Alexandra lächelte und sah schon etwas beherzter auf ihren Gast.
    »So wohnen denn Tataren bei euch?«
    »Gleichviel! Sie sind doch mein, dem Willen der Eltern und meinem Herzen nach.«
    »Dem Herzen nach? Das weiß ich noch nicht.«
    »Nein? Sagen Sie Nein? Dieses Messer stoße ich mir ins Herz.«
    »Aber wir sind ja noch immer im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher