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Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Titel: Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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kannte mal eine, die so hieß. Grundschule. Erste bis vierte Klasse. Streberin. „Angenehm“, meinte er mit erhabener Würde, denn die Dame strahlte etwas Aristokratisches aus. Ein saloppes Hallöchen, wie unter Großstadtguerillas üblich, wäre da vielleicht nicht ausreichend opportun gewesen.
    Trotzdem hatte er Guntrams Frage nicht vergessen. „Wir sind Karin, ihre Schwester, Bertha und ich. Trotz der Wirren der Zeit hätten wir dir heute einen Rechtsanwalt besorgt.“
    „Wieso? Ich hab doch nichts getan. Die mußten mich doch einfach laufen lassen“, erwiderte der Apostel.
    Herr Schweitzer fragte sich, ob soviel Naivität bestraft gehörte, oder ob soviel Glauben in eine ihm unbekannte Gerechtigkeit Bewunderung verdiente. Er ließ die Frage offen.
    Dafür entgegnete Daniel Fürchtegott, der bislang noch nichts gesagt hatte: „Wenn ich für jeden Tag, den je ein Mensch unschuldig im Knast saß, einen Euro bekäme …“
    „… wärst du heute reich“, vollendete Herr Schweitzer.
    „Steinreich“, legte Daniel Fürchtegott noch einen drauf.
    „Ist ja schon gut“, wollte Guntram das Thema endlich vom Tisch haben. „Dein Eis wird kalt.“
    Halb zerschmolzen schmeckte es Simon Schweitzer sowieso am besten.
    Dreißig Minuten später war der Tisch voll besetzt. Im großen und ganzen waren es dieselben Personen wie letzten Dienstag. Es war nur eine weitere Kapriole der Geschichte, daß Herr Schweitzer nun nach über einundzwanzig Jahren wieder mittenmang und wie ehedem in der Protestbewegung gegen die Willkür der Flughafenbetreiber steckte, obzwar er damals mit zorniger Entschlossenheit allen politischen Aktivitäten abgeschworen hatte. Die anderen Teilnehmer der Tafelrunde waren baß erstaunt ob ihres neuen Mitgliedes kämpferischen Unternehmungsgeist. Apostel Hollerbusch, der still in sich hineinschmunzelte, und Daniel Fürchtegott Meister, der sich wie früher nur sehr spärlich an der Diskussion beteiligte, waren wenig überrascht, den alten Wüterich Simon Schweitzer in altem Glanz zu erleben.
    So sehr Herr Schweitzer auch von seinem Treiben beansprucht war, so hatte er doch ein wachsames Auge auf den Genossen Meister geworfen.
    Als die Sitzung sich dem Ende zuneigte, hatte Simon Schweitzer unter anderem die Aufgabe übernommen, bis zum nächsten Treffen ein Flugblatt mit den heute erarbeiteten Positionen zu entwerfen, welches dann in den von der neuen Einflugschneise betroffenen Gebieten verteilt werden sollte.
    Theophilos kam mit einem vollen Tablett Ouzo an den Tisch. Ex usu wußte Herr Schweitzer, daß jeder Versuch einer Ausflucht von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Er ergab sich seinem Schicksal und stieß mit Theo und den anderen an.
    Unter Ausschaltung sämtlicher Geschmacksorgane kippte er das Teufelszeug hinunter und schüttelte sich. Durch das lange Sitzen machte sich sein durch den Hängemattensturz lädiertes Steißbein bemerkbar. Sex und andere Akrobatik fielen damit ja wohl oder übel ins Wasser, schlußfolgerte Simon Schweitzer.
    Nachdem Theophilos abkassiert hatte, bestellte Herr Schweitzer noch eine kleine Runde Pils für den Apostel, Daniel Fürchtegott und sich selbst, schließlich mußte der Ouzogeschmack eliminiert werden. Und die Postkarte aus Perugia steckte noch in seiner Brusttasche.
    „Wie war’s denn so im Knast?“ fragte Herr Schweitzer fröhlich.
    Guntram Hollerbusch lächelte müde. „Das war doch kein Knast. Man hat mich lediglich versehentlich inhaftiert, das ist alles.“
    „Soso, versehentlich. Aber irgendwer muß dich doch verdächtigt haben, das saugt man sich doch nicht einfach so aus den Fingern.“
    „Was weiß ich denn. Schließlich kannte ich ja das Opfer, äh, Klaus-Dieter. Und außerdem, irgendwer muß ihn ja erschossen haben, warum also nicht ich? Geht ihr morgen eigentlich zur Beerdigung?“
    Herr Schweitzer hatte Daniel Fürchtegott Meister sehr genau beobachtet und einen unstetig hin und her huschenden Blick konstatieren können, als der Apostel die Bemerkung gemacht hatte, daß irgendwer Schwarzbach ja erschossen haben mußte. Sehr gerne hätte er Daniel Fürchtegott unter vier Augen gesprochen. Ohne den Apostel.
    Das Pils kam. Man prostete sich zu. Der alte Philosoph Daniel Fürchtegott tat einen sehr großen Schluck und erklärte, daß er grundsätzlich nicht auf Beerdigungen gehe, es gehe ihm da regelmäßig zu steif zu. Herr Schweitzer hingegen meinte, daß mangelnder Spaß bei Beisetzungen für ihn in der Regel kein Problem darstelle,
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