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Silvy will die Erste sein

Silvy will die Erste sein

Titel: Silvy will die Erste sein
Autoren: Marie Louise Fischer
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dichtes, oft fast
undurchdringliches Unterholz, und die Kronen der hohen Buchen stießen oben wie
ein Dach zusammen.
    Frau Dr. Mohrmann erzählte, daß
dieser Wald früher das Jagdgebiet eines Fürsten war und daß es auch jetzt noch
sehr viele Tiere hier gab, besonders Damwild und Rotwild. „Wenn wir Glück haben
und sehr leise sind“, sagte sie, „können wir vielleicht später ein Rudel
beobachten. Es ist Schonzeit, und da sind die Tiere nicht so scheu wie
gewöhnlich.“
    „Warum ist denn gerade jetzt
Schonzeit?“ wollte Ruth wissen. „Das muß doch einen Grund haben.“
    „Weil die Tiere Junge haben
natürlich, du Dumme!“ belehrte Silvy sie von oben herab.
    „Blas dich bloß nicht so auf“,
nahm Katrin die Freundin sofort in Schutz, „du weißt auch nicht immer alles.“
    „Ich verstehe überhaupt nicht,
wie es erlaubt sein kann, daß man Tiere erschießt“, sagte Olga, „ich finde das
einfach eine Gemeinheit. Wenn ich mir vorstelle, da läuft so ein süßes Bambi
über die Wiese und... piff, paff, bumm... es fällt tot um und ist nichts mehr
als totes Fleisch und ein bißchen Fell.“
    „Das ist glatter Mord“, stimmte
Leonore ihr zu.
    „Es ist fein, daß ihr so
tierlieb seid“, sagte Frau Dr. Mohrmann, „aber ihr solltet euch trotzdem vor
Übertreibungen hüten. Einen Mord kann man nur an einem Mitmenschen begehen...“
    „Wieso eigentlich?“ fragte
Katrin dazwischen.
    „Selbst in der Bibel“, fuhr
Frau Dr. Mohrmann fort, „steht nichts davon, daß man Tiere nicht töten darf.
Die früheren Menschen haben sogar fast ausschließlich von der Jagd gelebt.“
    „Na ja“, sagte Olga, „damals
hatten sie ja auch noch kein Zuchtvieh! Denn daß man Kälber und Schweine
schlachtet, das will ich ja noch gelten lassen. Etwas anderes ist es aber doch
bei den wilden Tieren...“
    „Und außerdem“, rief Ruth,
„eigentlich brauchte der Mensch bestimmt überhaupt kein Fleisch zu essen,
jedenfalls heutzutage nicht mehr, wo die Wissenschaft soweit ist, daß sie alles
mögliche chemisch herstellen kann! Da könnte man doch leicht einen
Fleischersatz erfinden...“
    „Ja“, sagte Katrin trocken,
„und dann würde das Viehzeug hundert Jahre alt, und wir wären soweit wie die Inder,
denen auch die heiligen Kühe alles wegessen, so daß die Kinder hungern müssen.“
    „Man brauchte ja erst gar kein
Vieh zu züchten“, beharrte Ruth. „Dann willst du es aussterben lassen? Das ist
auch nicht gerade fein.“
    „Ich habe ja gar nicht vom
Stallvieh gesprochen“, kam Olga auf das ursprüngliche Thema zurück, „sondern
eben nur vom Wild, und da bin ich nach wie vor der Meinung, es ist eine
Gemeinheit, die lieben, schönen Tiere abzuknallen... nur aus Jagdlust und um
einen guten Braten zu kriegen.“
    „Moment mal“, warf Frau Dr.
Mohrmann ein, „ihr habt jetzt gehört, wie Olga es meint. Ich frage euch nun...
hat sie recht oder nicht? Wird das Wild wirklich nur aus diesen Gründen
abgeschossen?“
    „Nein“, sagte Silvy, „mein
Onkel hat eine Jagd, deshalb weiß ich es. Er schießt nur die Tiere ab, die
mickrig oder krank sind, und er achtet darauf, daß in seinem Revier immer nur
soviel Wild ist, daß es genug zu fressen und zu leben hat.“
    „Das ist ein richtiger
Gedanke“, lobte Frau Dr. Mohrmann, „die Jäger von heute müssen ja nicht mehr
ihre Familien mit dem geschossenen Wild ernähren wie in grauer Vorzeit, sie
können es sich deshalb erlauben, nicht mehr in erster Linie Beutemacher,
sondern Heger und Pfleger zu sein. Aber eigentlich wollte ich auf etwas anderes
hinaus. Denkt doch einmal nach, vielleicht kommt ihr drauf.“
    Die Mädchen sahen sich an und
wußten keine Antwort.
    „Was würde denn passieren, wenn
überhaupt kein Wild mehr abgeschossen würde?“ half Frau Dr. Mohrmann nach.
    „Es würde sich wahrscheinlich
vermehren und vermehren...“ sagte Katrin.
    „Richtig. Und?“ Frau Dr.
Mohrmann machte eine kleine Pause, dann gab sie sich selber die Antwort: „Das
Wild würde im Wald nicht mehr genügend Nahrung finden und auf die Felder
hinüberwechseln. Das geschieht immer sofort dann, wenn der Wildbestand etwas zu
groß geworden ist. Würde man kein Wild mehr schießen, so würde das letztlich
auch das Ende des Ackerbaus bedeuten.“
    ..Das habe ich längst gewußt!“
rief Silvy. „Bloß im Augenblick war es mir entfallen.“
    Die anderen lachten sie aus.
    „Vielleicht“, sagte Olga
beharrlich, „kommt doch einmal eine Zeit, wo die Menschen überhaupt
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