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Silver Linings (German Edition)

Silver Linings (German Edition)

Titel: Silver Linings (German Edition)
Autoren: Matthew Quick
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Augen öffne, ist er da, auf dem Speicher meiner Eltern, seine lockige Haarmähne umrahmt von einem Heiligenschein wie Jesus. Die perfekt gebräunte Stirn, diese Nase, dieser ewige Bartschatten. Die obersten drei Knöpfe an seinem Hemd stehen offen, sodass ein bisschen Brustbehaarung zu sehen ist. Mr. G sieht vielleicht nicht böse aus, aber ich fürchte ihn mehr als jedes andere menschliche Wesen.
    «Wie? Wie hast du mich gefunden?», frage ich ihn.
    Kenny G zwinkert mir zu und hebt dann sein schimmerndes Sopransaxophon an die Lippen.
    Ich fröstele, obwohl ich in Schweiß gebadet bin. «Bitte», flehe ich ihn an, «lass mich doch in Ruhe!»
    Doch er atmet tief ein, und sein Sopransaxophon fängt an, die hellen Noten von Songbird zu singen – und sofort sitze ich senkrecht in meinem Schlafsack, schlage wieder und wieder den Ballen der rechten Hand auf die kleine weiße Narbe über meiner rechten Augenbraue, versuche, die Musik zum Verstummen zu bringen – Kenny Gs Hüften wiegen sich direkt vor meinen Augen –, und ich schreie mit jedem Schlag, der mein Gehirn durchrüttelt: «Aufhören! Aufhören! Aufhören! Aufhören!» –, die Spitze seines Instruments ist genau vor meiner Nase, drischt mit Smooth Jazz auf mich ein – ich spüre das Blut nach oben in meine Stirn schießen –, und dann erreicht Kenny Gs Solo einen Höhepunkt – wumm, wumm, wumm, wumm –
    Und dann versuchen meine Mutter und mein Vater, meine Arme festzuhalten, aber ich kreische: «Hör auf, diesen Song zu spielen! Hör auf! Bitte!»
    Als meine Mutter zu Boden gestoßen wird, tritt mein Vater mir in den Bauch – was Kenny G verschwinden lässt und die Musik abwürgt –, und als ich zurückfalle und nach Luft schnappe, hechtet Dad auf mich und schlägt mir mit der Faust ins Gesicht, und plötzlich ist meine Mom da und versucht, meinen Dad von mir wegzuziehen, und ich flenne wie ein Baby. Meine Mutter schreit meinen Vater an, er soll aufhören, mich zu schlagen, und dann ist er von mir runter, und sie sagt mir, dass alles gut wird, selbst nachdem mein Vater mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat, so fest er konnte.
    «Das war’s, Jeanie. Morgen geht er zurück in die Klinik. Morgen früh», sagt mein Vater, und dann stapft er die Treppe hinunter.
    Ich kann kaum denken, so laut schluchze ich.
    Meine Mutter setzt sich neben mich und sagt: «Ist ja gut, Pat. Ich bin bei dir.»
    Ich lege den Kopf in den Schoß meiner Mutter und weine mich in den Schlaf, während Mom mir übers Haar streichelt.

    Als ich die Augen öffne, ist der Lüftungsventilator wieder eingeschaltet, Sonne strömt durch die Jalousie vor dem Fenster, und Mom streichelt mir noch immer übers Haar.
    «Wie hast du geschlafen?», fragt sie mich mit einem gezwungenen Lächeln. Ihre Augen sind rot, und sie hat Tränen auf den Wangen.
    Einen kurzen Moment lang ist es schön, bei meiner Mom zu liegen, das Gewicht ihrer kleinen Hand auf meinem Kopf, den Nachhall ihrer weichen Stimme im Ohr, doch schon bald lässt mich die Erinnerung daran, was in der Nacht passiert ist, hochfahren – und dann hämmert mir der Kopf, und eine Welle der Angst durchfährt mich. «Schickt mich nicht zurück an den schlimmen Ort. Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Bitte», bettele ich, flehe mit aller Inbrunst, die ich habe, so sehr graut mir vor dem schlimmen Ort und dem pessimistischen Dr. Timbers.
    «Du bleibst schön hier bei uns», sagt Mom und sieht mir dabei in die Augen, wie sie das immer tut, wenn sie die Wahrheit sagt, und dann küsst sie mich auf die Wange.
    Wir gehen runter in die Küche, wo sie mir köstliche Rühreier mit Käse und Tomaten macht, und ich schlucke tatsächlich alle meine Tabletten, weil ich das Gefühl habe, das bin ich Mom schuldig, nachdem ich sie gestoßen und meinen Vater wütend gemacht habe.
    Ich bin bestürzt, als ich einen Blick auf die Uhr werfe und sehe, dass es schon elf ist. Also fang ich mit dem Training an, sobald mein Teller leer ist, mache alle Übungen doppelt, nur um mein Pensum einzuhalten.

[zur Inhaltsübersicht]
    Ein schickes Abendessen
    Ronnie kommt mich schließlich doch in meinem Keller besuchen und sagt: «Ich bin auf dem Weg nach Hause, deshalb hab ich nicht viel Zeit.»
    Ich bin gerade beim Bankdrücken und grinse, weil der Satz eigentlich heißt: Veronica weiß nicht, dass er bei mir ist, und Ronnie muss es kurzmachen, wenn er nicht bei etwas erwischt werden will, was Veronica ihm nicht ausdrücklich erlaubt hat – zum Beispiel
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