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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition)
Autoren: Monika Jaedig
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Persönlichkeit fehlte. Verzweifelt suchte er danach, hoffte, irgendwann die fehlenden Teile zu finden und an den rechten Platz legen zu können, wie bei einem Puzzle. Das Puzzle war zu schwierig, zu gross. Zu viele blaue Teile, die man sortieren musste, um sie dann in mühevoller Kleinarbeit zusammenzufügen.

    Sein Blick blieb starr auf sie gerichtet, die kräftige Hand übte leichten Druck aus, bis sie endlich seufzend aufgab: „Dein Vater war hier. Er wollte mir helfen...“ Der Geruch stammte also von ihm . Sein Herz schien einen Schlag auszusetzen. „Sprich weiter“, presste er atemlos hervor.

    Ihr Hals war ausgetrocknet und schmerzte, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern: „Er sagte, er kann mich retten, auch dir zuliebe. Ich entgegnete ihm, er soll zur Hölle fahren...“- „Was meinte er damit?“, krächzte Heiðar heiser.

    „Er wollte mich in ein Monster verwandeln, um mein Leben zu retten. Lieber sterbe ich, als dass ich so werde wie er...“ Ihre Stimme versagte, das Sprechen hatte sie zuviel Kraft gekostet. In Heiðars Kopf summte und wirbelte alles wild durcheinander. Er starrte vor sich hin ohne etwas wahrzunehmen, fühlte sich wie abgeschnitten. Sie nannte seinen Vater ein Monster! Das machte doch auch ihn, zumindest teilweise, zu einer solch verdammungswürdigen Kreatur, die in die Hölle gehörte. Eine ungestillte Wut baute sich in ihm auf. „Wie konntest du ihn lieben, wenn er ein Monster ist!“ Jetzt musste sie ihm einfach die längst fälligen Antworten geben, obwohl es ihm Leid tat, sie so zu quälen.

    Das angespannte Schweigen dauerte eine Ewigkeit. Sie wusste, dass sie ihm die Geschichte ihrer einzigen Liebe schuldig war. Obwohl es alte Wunden aufriss, als sie die Erinnerungen daran hervorholte.

    „Ich war Neunzehn. Ein junges, naives Ding aus den Ostfjorden, das von der grossen Freiheit in der Hauptstadt träumte. Um mir die Abendschule zu finanzieren, arbeitete ich als Zimmermädchen. Er stand eines Morgens halbnackt im Badezimmer seiner Suite, als ich ahnungslos reinging, um sauberzumachen. Ich hatte Angst, dass er mich belästigen könnte und wollte so schnell wie möglich verschwinden, aber er blickte mir tief in die Augen und überzeugte mich, wie üblich meine Arbeit zu machen. Ich fühlte mich geschmeichelt, als er mit mir zu flirten begann und konnte kaum erwarten, ihn am nächsten Tag wiederzusehen. Wir unterhielten uns angeregt, und ich weiss noch, wie wohl ich mich in seiner Gegenwart fühlte. Am dritten Tag bot er an, mich nach der Arbeit nach Hause zu begleiten. Natürlich war ich so dumm, ihm das zu gestatten. Später erzählte er mir, dass er mich damals töten wollte. Er liess es bleiben, um mich nicht zu verlieren, und brachte mich stattdessen bis zur Haustür. Beim Abschied blickte er mir wieder tief in die Augen. Obwohl es bereits dunkel war, spürte ich die ungeheure Macht, die von seinem Blick ausging. Dann hob er seine Hand und legte sie vorsichtig an meine Kehle. Von diesem Moment an war ich ihm verfallen. Ich konnte an nichts anderes mehr denken und stand völlig neben mir. Als er mich zwei Tage später bat, ihn zu begleiten, habe ich nicht gezögert. Ich liess alles zurück, meine Eltern, meine Freunde, mein ganzes Leben. Ich liebte ihn über alles, und in gewisser Weise liebe ich ihn immer noch.“

    Heiðars Herz hüpfte erleichtert. Wie schön, dass Kristín etwas für seinen Vater empfand. Er griff nach dem Wasserglas auf dem Nachttisch und reichte es ihr. Sie trank in kleinen Schlucken, gab ihm dann mit zittriger Hand das Glas zurück. Seine Ungeduld war förmlich greifbar, er konnte kaum erwarten, dass sie weitererzählte.

    „Wir reisten nach Paris, wo er eine schöne Wohnung besass. Nach und nach fielen mir verschiedene Dinge auf: Wie kühl und gleichzeitig warm sich seine Hände anfühlten, dass er nicht ass, die Sonne mied und wie er mich oft erschreckte, wenn er plötzlich hinter mir stand. Geschickt offenbarte er mir allmählich, was er ist. Und er hat sich mir sehr behutsam genähert. Ich war erstaunt, wie altmodisch er sich verhielt, nachdem er mich ja praktisch entführt hatte. Als er mir eines Abends die Wahrheit erzählte, war ich natürlich ziemlich schockiert und fürchtete mich vor ihm. Er ging etwas auf Abstand und liess mir Zeit, wieder Vertrauen zu fassen. Ich erkannte, dass ich ihn trotzdem liebte, und entschied, dass es keine Rolle spielte, was er war. Er trug mich auf Händen und versuchte mir jeden Wunsch zu erfüllen. Du
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