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Silbermantel

Titel: Silbermantel
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Es war doch interessant, dachte Loren bei sich, wie es Kevin immer wieder gelang, instinktiv für sie alle zu sprechen. Es war unangenehm, aber es musste gesagt werden. »Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht«, bemerkte Loren unumwunden. »Aber ich muss euch darauf hinweisen: Wenn der schwarze Schwan sie gen Norden getragen hat, dann ist sie von Rakoth selber entführt worden.«
    Das Herz tat dem Magier weh. Trotz seiner bösen Vorahnungen hatte er sie hintergangen und zum Kommen ermutigt, sie den Svart Alfar überlassen, ihre Schönheit sozusagen mit eigenen Händen an den Gestank Avaias gebunden und sie zu Maugrim gesandt. Sollte es in den Hallen des Webers je eine Verhandlung über ihn geben, würde Jennifer unter denen sein, für die er sich zu verantworten hatte.
    »Spracht Ihr von einem Schwan?« fragte der hellhaarige Ritter. Levon. Ivors Sohn, an den er sich aus der Zeit vor genau zehn Jahren als Knaben erinnerte, am Vorabend seiner Fastenzeit. Nun war er ein Mann, wenn auch ein junger, und gebeugt unter der Last, dass zum ersten Mal unter seinem Befehl Menschen gestorben waren. Sie waren allesamt so jung, wurde ihm plötzlich klar, sogar Aileron. Wir ziehen in den Krieg gegen einen Gott, dachte er und wurde von entsetzlichen Zweifeln geplagt.
    Doch er verbarg sie. »Ja«, antwortete er, »ein Schwan. Avaia der Schwarze wurde er benannt, vor langer Zeit. Warum fragt Ihr danach?«
    »Wir haben ihn gesehen«, sagte Levon. »Am Abend vor dem Feuer des Berges.« Aus unerfindlichen Gründen schien das die Sache noch schmerzlicher zu machen.
    Kimberly bewegte sich unruhig, und sie wandten sich ihr zu. Das weiße Haar über ihrem jungen Gesicht war nach wie vor befremdlich. »Ich habe von ihr geträumt«, eröffnete sie ihnen. »Ysanne auch.«
    Und bei diesen Worten hatte noch eine Frau den Raum betreten, um deren Verlust Loren trauerte, noch ein Gespenst. Wir werden uns nicht mehr begegnen, du und ich, zumindest nicht diesseits der Nacht, hatte Ysanne zu Ailell gesagt.
    Diesseits und auch jenseits nicht, wie es schien. Sie war so weit fortgegangen, dass es sich nicht ermessen ließ. Er dachte an Lökdal. Colans Dolch, Seithrs Geschenk. Oh, die Zwerge vollbrachten unter den Bergen Unergründliches mit ihrer Macht.
    Kevin musste sich ein wenig anstrengen, das grimmige Schweigen zu beenden. »Himmel noch eins!« rief er aus. »Das ist eine schöne Wiedersehensfeier. Das müssen wir doch besser können!«
    Ein gelungener Versuch, dachte Dave Martyniuk und war selbst überrascht, wie gut er verstehen konnte, was Kevin da anstrebte. Mehr als ein Lächeln würde es allerdings nicht hervorrufen. Es war nicht. Da kam ihm mit ungeheurer Plötzlichkeit die Erleuchtung.
    »Nee«, entgegnete er langsam, wählte sorgsam seine Worte. »Das geht jetzt nicht, Kevin. Wir haben hier noch ein Problem.« Er verstummte und gab sich einem ganz neuen Gefühl hin, während die besorgten Blicke der anderen sich auf ihn richteten.
    Dann griff er in seine Satteltasche, die auf dem Boden neben ihm stand und holte etwas daraus hervor, das er über weite Strecken hinweg mitgeschleppt hatte. »Ich denke, du hast das Urteil im Fall McKay falsch interpretiert«, hielt er Kevin vor und warf ihm die von der Reise verschmutzten Notizen zum Thema Beweisführung quer über den Tisch hinweg zu.
    Zur Hölle damit, dachte Dave und beobachtete die anderen, selbst Levon, selbst Torc konnten sich der Ausgelassenheit und der Erleichterung hingeben. Da ist doch nichts dabei! Er wusste, dass sein Gesicht ein breites Grinsen zur Schau trug.
    »Was für ein urkomischer Mann«, stellte Kevin Laine mit uneingeschränkter Begeisterung fest. Er lachte immer noch. »Ich brauche was zu trinken«, rief Kevin aus. »Wir alle brauchen was. Und du«, dabei zeigte er auf Dave, »hast Diarmuid noch nicht kennen gelernt. Ich glaube, er wird dir noch besser gefallen als ich.«
    Eine sonderbare Bemerkung, dachte Dave, während sie aufbrachen, noch dazu eine, über die er würde nachdenken müssen. Allerdings hatte er das Gefühl, dass er zumindest diesmal zu einem guten Ergebnis gelangen würde.
    Die fünf jungen Männer machten sich auf den Weg zum Schwarzen Keiler. Kim dagegen folgte einem Gefühl, das seit der Krönung immer stärker geworden war, entschuldigte sich und kehrte in den Palast zurück. Dort angekommen klopfte sie an eine Tür am Ende des Ganges, der zu ihrer eigenen führte. Sie machte einen Vorschlag, und der wurde angenommen. Kurze Zeit später, in
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