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Sigma Force 05 - Das Messias-Gen

Titel: Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
Autoren: James Rollins
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er wegen Monk her. Der Junge hatte seinem Freund viel bedeutet. Deshalb fühlte Gray sich verpflichtet, Pjotr Gesellschaft zu leisten.
    In Wahrheit aber waren die Besuche Balsam für sein Herz. In Gegenwart des Jungen verspürte er eine unerklärliche Ruhe, als gehe von dem Kind noch immer eine empathische Aura aus.
    Wie er so dasaß, ließ Gray die vergangenen Ereignisse Revue passieren. Er erinnerte sich, wie der Junge Monk durch den Gang gezerrt hatte. Jetzt begriff Gray, was Pjotr getan hatte. Seine Schwester hatte Monk das Leben gerettet, indem sie dafür gesorgt hatte, dass er vor dem Ertrinken bewahrt wurde, und Pjotr hatte ihn zurückgebracht, so wie man einen geborgten Schraubenschlüssel in den Werkzeugkasten des Nachbarn zurücklegt.
    Alles, was geschehen war … Gray wusste, dass es kein Zufall gewesen war, nicht einmal eine Koinzidenz. Er blickte Pjotr an und dachte an Sascha.
    Alles war inszeniert gewesen.
    Auf einmal musste er an Nicolas Solokows Plan denken. Er hatte die Savants dazu benutzen wollen, den nächsten großen Propheten hervorzubringen. Den nächsten Buddha, Mohammed oder Christus. Bei ihren gemeinsamen Krankenbesuchen bei Pjotr hatte er mit Monk darüber gesprochen.
    Anschließend hatte sein Freund dem Jungen zugenickt.
    Vielleicht waren die Russen ihrem Ziel ja nähergekommen, als sie selbst sich hätten träumen lassen.
    Doch wie dem auch sei: Wie so viele große Persönlichkeiten hatte Pjotr das größtmögliche Opfer erbracht. Jetzt würden sie die Wahrheit niemals erfahren. Und vielleicht war es ja besser so.

    Gray seufzte und schob die melancholischen Gedanken beiseite. Er faltete Saschas Malbuchseite auseinander und betrachtete sie. Jetzt musste er sich zu allem Überdruss auch noch vor unheimlichen Clowns Sorgen machen. Als er das Papier glättete, bemerkte er, dass Sascha etwas auf die Rückseite gezeichnet hatte.
    Er drehte das Blatt Papier um und starrte die mit schwarzem Filzstift angefertigte Zeichnung an.

    Ein kleiner chinesischer Drache, wundervoll ausgeführt.
    Der Schock des Wiedererkennens durchzuckte Gray wie ein Stromstoß. Er fasste sich an den Hals. Unter dem Hemd trug er eine Halskette mit einem silbernen Drachenanhänger, das Geschenk einer Mörderin, Versprechen und Fluch zugleich.
    Gray blickte zur Tür. Hatte Sascha den Anhänger irgendwann gesehen? Er senkte den Blick wieder auf die Zeichnung. Insgeheim wusste er, dass sie den Anhänger nie zu Gesicht bekommen hatte.
    Das war eine Warnung - um Clowns ging es dabei jedoch
nicht. Sascha hatte von unten zu der Zeichnung hochgezeigt. Aus ihrer Perspektive hatte sie nicht auf den Clown gezeigt. Sondern auf die Unterseite des Blattes.
    Auf das Drachensymbol.
    Gray hatte das Gefühl, die Stille des Raums berge eine drohende Gefahr. Er flüsterte deren Namen.
    »Seichan.«

EPILOG
    DER JUNGE SITZT am Fenster und schaut in die dämmerige Welt hinaus. Er ist noch nicht so weit, um hinauszugehen. Er muss sich erst noch an sein neues Zuhause gewöhnen. Es passt ihm schlecht und erschwert das Nachdenken.
    In der Glasscheibe sieht er sein Spiegelbild: dunkles Haar, ein kleines, vertrautes Gesicht. Doch es fühlt sich fremd an. Auch das würde sich mit der Zeit geben. Er sieht das Laub am Fenster vorbeitreiben.

    Angst hat er keine mehr, auch nicht, als immer mehr Blätter herabfallen. Was tief in ihm verborgen ist, füllt die Lücken mit verschwommenen Schatten aus. Geformt aus dem Gedächtnis.
Er weiß, das ist das Gesicht, das einmal seines gewesen war.

    Er erinnert sich noch an die Dunkelheit, an das schwarze Meer mit den Lichtern darin. Er erinnert sich an die sterbende Sonne in der Mitte, die erstickt wurde, damit andere Sonnen weiter ihre Bahn ziehen und leuchten konnten. In jenem letzten Moment aber hatte der Junge, dem einmal dieser Körper gehört hat, vor ihnen allen ein Geheimnis bewahrt. Als er das dunkle Meer hinter sich ließ, um zu anderen Orten zu reisen, brachte er ein anderes Licht in Sicherheit und ließ es in das leere, dunkle Meer fallen.
    Auf dass ihm neues Leben geschenkt werde.
    Immer mehr Laub taumelt am Fenster vorbei, und die Schatten der Erinnerung füllen die Lücken aus, formen das wahre Gesicht der Person, die jetzt in diesem Körper wohnt.

    Das alte Gesicht würde irgendwann in Vergessenheit geraten, jedoch nicht der Junge, der sein Leben opferte, damit etwas Neues entstehen konnte. In seinen Träumen sieht er den Jungen häufig über Felder laufen, einen Hügel erklimmen, ihm zuwinken -
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