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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony
Autoren: Denise Danks
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umgekippten Tisch gefallen war, mit einer Hand, richtete sich wieder auf und griff mit der anderen nach meiner Kehle. Ich zuckte zurück, aber da war nichts, kein kalter, scharfer Stahl, keine nasse, zerrissene Haut. Mit leeren, blutigen Fingern stupste er mich zärtlich unters Kinn, und dann drohte er warnend mit erhobener Hand, als der Geschäftsführer langsam näher kam. Wieder rührte sich niemand, als Pal um den umgestürzten Tisch herumging und an Shinichros Jackett zerrte. Er schob ihm die Hände in die Taschen und zog sie wieder heraus; dann nahm er sich die Hosentaschen vor, und dabei hielt er den Verletzten am Hals fest, so daß er sich nicht rühren konnte. Als er fertig war, ging er rückwärts zum Ausgang und grinste breit, als er mir zurief: »Dabei war er schon so schön verheilt. Findest du nicht?«
     

 Shinichros Gesicht schien lappig auseinanderzuklaffen, und meine Kleidung und die Tischdecke waren dunkelrot von seinem Blut. Die Kellnerin machte sich daran, ihm ein Handtuch um den Kopf zu wickeln, und knüllte es fest zusammen, um den Blutfluß zu stoppen, während der Geschäftsführer versuchte, seine bestürzten Gäste zu beruhigen. Shinichro gab keinen Laut von sich. Seine Augen waren fest zugepreßt, seine Fäuste geballt, hart und weiß, während die kleine Frau um ihn herumhüpfte und ihn in ihrer gemeinsamen Sprache beruhigte, so gut sie konnte. Ich sah das Telefon, das aus Shinichros Innentasche herausguckte; ich griff danach, drückte auf die Knöpfe, wie er es mir gezeigt hatte, und wählte den Notruf. Nicht die Feuerwehr, nein, einen Krankenwagen, ja, die Polizei, ja, und dann noch eine Nummer. Ich brauchte mehr Hilfe, als hier im Angebot war.
    »Robert, man muß ihn stoppen.«
    »Haben Sie etwas? Für mich, Mrs. Powers?«
    Irgend etwas bekam ich hier anscheinend nicht mit. Was wollte er denn von mir, damit er seine Hunde von der Leine ließ? Meine Stimme war schrill vor Anspannung. Am liebsten hätte ich gekreischt; ich dachte schon, ich täte es auch, aber das war nicht ich. Das Schreien einer anderen Frau gellte mir im Kopf; sie schrie — eine von den Theatergängern.
    »Ich weiß nicht, ob ich etwas für Sie habe.«
    »Mrs. Powers, beruhigen Sie sich.«
    »Shinichro ist verletzt. Er hat ihm das Gesicht zerschnitten.«
    »Bitte, Georgina...«
    »Ich weiß nicht, ob ich etwas für Sie habe, Gott verdammt noch mal. Ich habe etwas für die Zoll- und Finanzbehörde. Rufen Sie die an, und das meine ich ernst. Dieser Kerl gehört einem Embargoland an, und er verläßt Großbritannien mit Ein-Megabit-Drams für eine Million Dollar, viertausend Eproms und einer Straftatenliste, so lang wie Ihre beiden Arme. Wenn Sie das nicht tun, werde ich darüber schreiben. Ich schwör’s Ihnen. Ich werde euch allen den Arsch aufreißen. Mir egal.«
    »Eproms?«
    »Drams... und... Eproms... Eproms.«
    »Was ist auf den Eproms?«
    »Ich weiß nicht. O Gott.«
    Jemand hatte meinen Arm gepackt. Shinichros Hand umschlang mein Handgelenk. Seine Augen waren offen, blutunterlaufen und glasig, aber er war noch soweit bei Bewußtsein, daß er kommunizieren konnte.
    »Shinichro weiß es. Er weiß es«, kreischte ich, und die Leitung brach ab, als die Krankenwagensirene in der Ferne heulte. Robert Falks Körpermassen stürmten zur Tür herein, kaum daß er aufgelegt hatte. Er blieb am Tisch hinter mir stehen, und ich hielt Shinichros Hand. Das Restaurant war inzwischen leer; nur noch der Besitzer, seine Familie und das Personal standen in einer Reihe stumm am Ausgang, und die junge Kellnerin hielt Shinichros mit dem blutigen Handtuch umwickelten Kopf. Als der Krankenwagen vor dem Haus angekommen war, legten sie Shinichro auf eine Bahre und trugen ihn hinaus, aber ich blieb auf dem Gehweg im flackernden Blaulicht stehen, das in der gelben Dunkelheit kreiste. Robert meinte, wir könnten hinterherfahren; ich solle mit ihm kommen. Ich schaute die Straße hinauf. Dort, an der gelben Doppellinie, parkte ein vertrauter, grauer Van. In den verspiegelten Fenstern sah man den Polizeiwagen, den Krankenwagen und mich. Ich deutete hinüber, und meine Hand zitterte vor Schrecken und Wut. Ich ging auf den Wagen zu.
    »Schnappen Sie sie. Seine Freunde. Schnappen Sie sie jetzt.«
    Robert hielt mich fest. Ich fing an zu weinen und zerrte an seinem Arm.
    »Sagen Sie ihnen, daß es nichts mehr zu belauschen gibt... «
    Robert legte sanft eine Hand auf die meine. Das unnatürliche Licht verfärbte sein Gesicht zu einem teigigen
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