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Sieg der Herzen

Sieg der Herzen

Titel: Sieg der Herzen
Autoren: Linda Lael Miller
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zurückeilen und die Kanne vom Feuer nehmen.
    »Mitgefühl schwächt den Charakter«, sagte sie bei ihrer Rückkehr zum Tisch.
    Er schaute zu, wie sie ihren Stuhl zurückzog und sich ihm gegenüber hinsetzte. Er hatte das Essen noch nicht angerührt, obwohl sie ihm ansah, dass er hungrig war wie ein Bär nach dem Winterschlaf. Im trüben Schein der Lampe wirkte er regelrecht hohlwangig, als wäre er lange umhergezogen, ohne irgendwo Ruhe zu finden.
    »Vielleicht«, stimmte er nach einigem Nachdenken zu.
    »Aber es macht die Welt doch ein wenig wärmer, nicht wahr?«
    Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, und so nahm sie Mr McLaughlins Teller und die Schöpfkelle. Normalerweise hätte sie vor dem Essen ein kurzes Tischgebet gesprochen, doch sie war so durcheinander, dass sie es völlig vergaß. Stattdessen füllte sie den Teller ihres Pensionsgastes und stellte ihn vor ihn hin. »Ich finde, es nutzt nichts, sich vorzumachen, dass die Welt eine andere als eine kalte ist«, sagt sie. Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als ihr klar wurde, wie verbittert ihr Worte klingen mussten.
    Nun, vielleicht war sie tatsächlich ein wenig verbittert. Als Kind hatte sie sich selbst als lächelnde und ausgeglichene Erwachsene vorgestellt, mit einem liebenden Mann und ein paar lebhaften Kindern. Stattdessen hatte sie Tante Eloise während ihrer diversen Krankheiten gepflegt - einigen echten und genauso vielen eingebildeten -, und nach ein paar Jahren hatte sie ihre Träume einen nach dem anderen aufgegeben. Jetzt waren sie allesamt verschwunden.
    Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, nur durchbrochen von gelegentlichen Geräuschen aus dem Brimstone Saloon an der Ecke. Olivia hielt sehr wenig von diesem Lokal.
    Mr McLaughlin aß mit großem Appetit und lobte ihr Essen. »Bleiben Sie bitte sitzen«, sagte er, als Olivia zum Herd gehen wollte, um den Kaffee zu holen. »Essen Sie zu Ende. Nehmen Sie Zucker oder Sahne oder beides?«
    Olivia war einen Moment zu überrascht, um zu antworten. Niemand außer June McCaffrey während ihres kurzen Aufenthalts in der Station bei ihrer Ankunft in Springwater im vergangenen Winter hatte sie jemals bedient, solange sie zurückdenken konnte. Wenn sie nicht so perplex gewesen wäre, hätte sie erklärt, dass sie des Abends keinen Kaffee trinke. Stattdessen erwiderte sie: »Mit Zucker, danke. Er steht auf dem Regal beim Herd.«
    Er brachte die Zuckerdose zum Tisch, zusammen mit zwei Tassen duftendem, frisch gekochtem Kaffee. In dieser Nacht werde ich kein Auge zutun können, dachte Olivia, aber es machte ihr nichts aus. Es war ein Vergnügen, jemanden im Haus zu haben, auch wenn es nur ein Tramp war, der dringend eine Rasur brauchte.
    »Was bringt Sie nach Springwater, Mr McLaughlin?«, fragte sie.
    Seine Miene wurde verschlossen. Als ob er eine ausdruckslose Maske wie ein Rollo heruntergelassen hätte. Sie wartete.
    »Ich nehme an, ich bleibe nicht lange«, sagte er schließlich, als ihm klar wurde, dass sie nicht auf eine Antwort verzichten würde. Es war schließlich eine vernünftige Frage gewesen angesichts der Tatsache, dass er die Nacht - und vielleicht viele weitere Nächte - unter ihrem Dach verbringen würde. »Ich habe einige Geschäft zu erledigen, wenn die Zeit reif ist. Dann reite ich weiter.«
    Sie rutschte etwas näher an die Kante ihres Stuhls, von plötzlicher Besorgnis erfüllt. Er klang so geheimnisvoll, fast geheimnistuerisch, als ob seine »Geschäfte« in Springwater nicht ehrbar waren. »Es macht einige Mühe, in diese Stadt zu kommen«, setzte sie nach. »Die Leute kommen nicht zufällig her oder wegen irgendwelcher Geschäfte.«
    Er nippte an seinem Kaffee und musterte sie über den Rand seiner Tasse hinweg. Vielleicht, dachte sie, war es dumm von mir, ein Zimmer an jemanden zu vermieten, den ich nicht kenne. Andererseits konnte sie gleich ins nächste
    Armenhaus ziehen, wenn sie nicht bereit war, Fremde zu bewirten.
    »Ich suche nach einem Ort zum Überwintern«, sagte er schließlich. »Als ich in Choteau von Springwater hörte, sagte ich mir, dass dieser Ort so gut wie jeder andere ist. Hier gibt es die Jupiter-und-Zeus-Mine, nicht wahr? Ich nehme an, ich könnte dort Arbeit finden.«
    Olivia erhob sich und begann den Tisch abzuräumen. »Ich kann mir denken, dass es in Choteau ebenfalls Arbeit gibt«, bemerkte sie, ohne ihn anzusehen. Warum, fragte sie sich, versuche ich den einzigen Gast zu vertreiben, den ich habe, seit ich nach Springwater gekommen bin? Liegt
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