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Sieben Erzaehlungen

Titel: Sieben Erzaehlungen
Autoren: Dino Buzzati
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abgestellte Wagen, wenige, aber es gibt sie: im allgemeinen Karosserien in Sondermodellen, überlebende Reststücke zweideutigen Reichtums, merkwürdig in die Länge gezogen, mit einer ruchlosen Schnauze. Wer sind ihre Besitzer oder ihre Diebe? Es sind Schiffbrüchige des Lebens, die nichts mehr zu verlieren haben, Verzweifelte, die das Gesetz herausfordern und versuchen, alles auf eine Karte zu setzen.
    Nur Mut: Nicht weit von meinem Büro, in einer Nebenstraße, bemerke ich plötzlich eine kleine Lücke, in die ich vielleicht mein Vehikel einnisten kann. Ein heikles Rückwärtsmanöver längs der Fläche eines gigantischen amerikanischen Wagens, weiß und rot, einer wahren Verhöhnung des Elends, am Steuer ein athletischer herrschaftlicher Chauffeur, er scheint eingeschlafen zu sein, aber ich bemerke, daß aus halbgeschlossenen Augen seine feindseligen Blicke kontrollieren, ob es mir passiere, zu berühren, zu streifen mit meinem armen, verrosteten Gefährt das seine, gepanzert, ein von Chrom strotzender
    Schild, überladen mit spiegelnden Kugeln, Strebepfeilern und Strebemauern, das allein genügen würde, denke ich, den hunger einer Familie zehn Jahre lang zu stillen.
    Um der Wahrheit die Ehre zu geben, mein Auto bietet mir alle erdenkliche Mitarbeit, es macht sich noch kleiner, verdünnt sich, verschwindet, hält den Atem an, bewegt sich auf Gummifußspitzen. Nach sieben Versuchen, ganz in Schweiß gebadet infolge der Nervenanspannung, gelingt es mir endlich, meine Mausefalle in die winzige Lücke einzufügen. Ein nettes Stückchen Präzisionsarbeit, ich sage es, ohne mich rühmen zu wollen. Dann steige ich aus und schließe triumphierend die Wagentür. Ein uniformierter Diener nähert sich: „Entschuldigen Sie, gehört der Wagen Ihnen?“ „Mir, wieso?“ Er zeigt auf ein mikroskopisches Schild: „Können Sie lesen? Reservierter Parkplatz. Nur für die Beamten der oldrek.“ Tatsächlich öffnet sich wenige Meter entfernt der Zugang zu dem Sitz der großen Gesellschaft.
    Blutübergossen steige ich wieder ins Auto, und mit entnervenden Vorsichtsmaßnahmen gelingt es mir, mich herauszuwinden, ohne mit meiner unreinen Berührung die königliche Würde des amerikanischen Straßenkreuzers zu beflecken. Aus halbgeschlossenen Augen durchbohren mich die Blicke des Chauffeurs mit Nadelspitzen der Verachtung.
    Es ist spät. Ich hätte schon seit einer Weile im Büro sein müssen. Ängstlich durchforsche ich eine Straße nach der anderen auf der Suche nach einer zuflucht. Nicht schlecht: Da ist eine Dame, die anscheinend im Begriff ist, in ihr Auto zu steigen. Ich bremse, erwarte, daß sie abfährt und ich ihren Platz erbe. Ein rasendes hupenkonzert bricht hinter meinem Rücken los. Mich umwendend sehe ich das verzerrte Gesicht eines Lastwagenfahrers, der sich aus dem Wagen lehnt, mir beleidigende Beinamen zuheult
    und mit den Fausten auf den Wagenschlag hämmert, um seinen zorn in Lärm auszulassen: Mein Gott, wie haßt er mich.
    Ich bin gezwungen weiterzufahren. Und als ich nach Umquerung des ganzen Häuserblocks an die gleiche Stelle zurückkehre, ist die Dame zwar weggefahren, gewiß, aber schon ist ein anderer dabei, sein Auto in den frei gewordenen Raum einzukeilen.
    Vorwärts. Hier ist das Parken nur für eine halbe Stunde erlaubt, dort nur an ungeraden Tagen (und heute ist der 2. November), hier nur den Mitgliedern des Motormatic-klubs, dort ist es begrenzt auf Autos, die mit der Lizenz Z versehen sind (öffentliche und staatlich kontrollierte Anstalten). Und wenn ich versuche, mich dumm zu stellen, so schießt wie ein Blitz ein Mann mit einer militärisch aussehenden Mütze hervor, der mich aus seinem Herrschaftsbereich vertreibt. Es sind die Parkwächter, kräftige Männer, groß, bärtig, sonderbar unbestechlich, Trinkgelder üben auf sie keinerlei Wirkung aus.
    Geduld. Jetzt muß ich wenigstens zum Büro fahren und dort Bescheid sagen. Der Portier steht immer auf der Schwelle, ich werde einen Augenblick halten und ihm die Sache erklären. Aber während ich langsamer fahrend auf das Haustor zuhalte, fallen meine Augen auf eine Lücke in der Autoreihe der gegenüberliegenden Straßenseite. Mit dem Herzen in der Kehle wende ich, unter dem Risiko, von der Lawine der Fahrzeuge zerquetscht zu werden, überquere die Straße und ordne mich schnell ein. Ein Wunder.
    Der Friede senkt sich auf mich herab. Bis zum Abend ist mir vergönnt, ruhig zu leben, vom Bürofenster aus kann ich es sogar sehen und kontrollieren,
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