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Sie kamen nach Bagdad

Sie kamen nach Bagdad

Titel: Sie kamen nach Bagdad
Autoren: Agatha Christie
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(minus Ninepence) auf einer Bank in Fitz James Gardens saß, einer dreieckigen Anpflanzung verstaubten Buschwerks neben einer Kirche, überragt von einem großen Warenhaus.
    Es war Victorias Gewohnheit, an jedem Tag, an dem es nicht regnete, ein Käse- und ein Salat- oder Tomatensandwich zu kaufen und dieses schlichte Mittagsmahl in dieser pseudoländlichen Umgebung zu verzehren.
    Heute, während sie nachdenklich kaute, erfüllte sie die Aussicht auf eine neue Stellung mit angenehmer Vorfreude. Victoria war immer freudig erregt, wenn sie im Begriff stand, den Arbeitsplatz zu wechseln. Man weiß nie, was geschehen wird, dachte sie.
    Sie hatte soeben ihr letztes Brotkrümchen drei gierigen Spatzen zugeworfen, die sofort wütend darum kämpften, als sie sich bewusst wurde, dass ein junger Mann am anderen Ende der Bank saß. Victoria hatte ihn schon flüchtig bemerkt, aber, den Kopf voller guter Vorsätze für die Zukunft, bisher nicht näher betrachtet. Was sie jetzt (aus dem Augenwinkel) sah, gefiel ihr ausnehmend gut. Er war ein hübscher junger Mensch, engelhaft blond, aber mit einem energischen Kinn und ungewöhnlich blauen Augen, die sie, wie sie sich einbildete, bereits seit geraumer Zeit mit verstohlener Bewunderung gemustert hatten.
    Victoria hatte keinerlei Hemmungen, sich mit fremden jungen Leuten an öffentlichen Orten anzufreunden. Sie hielt sich für eine glänzende Menschenkennerin und sehr wohl für fähig, jede Frechheit gebührend zurückzuweisen. Sie lächelte ihn ungeniert an und der junge Mann reagierte wie eine Marionette, die man am Faden zieht.
    »Hallo«, sagte er, »ganz nett hier. Kommen Sie oft her?«
    »Fast täglich.«
    »Mein übliches Pech, dass ich noch nie hergekommen bin. War das Ihr Lunch, den Sie eben verzehrt haben?«
    »Ja.«
    »Ich glaube, Sie essen zu wenig. Ich würde verhungern, wenn ich nur zwei Sandwiches äße. Wollen Sie nicht mit mir kommen – ein Paar Würstchen oder irgendetwas essen?«
    »Nein, danke. Ich fühle mich sehr wohl. Ich könnte jetzt gar nichts mehr essen.«
    Sie hoffte, er würde nun sagen: »Ein andermal.« Aber das tat er nicht, sondern seufzte nur und sagte: »Ich heiße Edward und Sie?«
    »Victoria, Victoria Jones.«
    »Victoria Jones«, wiederholte Edward langsam, jede Silbe betonend. Er schüttelte den Kopf. »Es passt nicht zusammen.«
    »Sie haben ganz Recht«, bestätigte Victoria eifrig. »Victoria verlangt nach etwas Höherem.«
    »Sie könnten dem ›Jones‹ etwas beifügen«, schlug Edward vor.
    »Bedford Jones.«
    »Carisbrooke Jones.«
    »St. Clair Jones.«
    »Lonsdale Jones.«
    Dieses heitere Spiel wurde dadurch unterbrochen, dass Edward auf die Uhr sah und einen Schreckensruf ausstieß: »Ich muss wieder zur Arbeit – hm – und Sie?«
    »Ich bin arbeitslos. Ich bin heute Morgen vor die Tür gesetzt worden.«
    »Oh, das tut mir aber Leid«, sagte Edward mit aufrichtigem Bedauern.
    »Verschwenden Sie Ihr Mitgefühl nicht, denn mir tut es gar nicht Leid. Erstens bekomme ich leicht eine andere Stelle und außerdem war das Ganze eher ein Spaß.«
    Sie hielt Edward noch ein wenig von seinen Pflichten ab, indem sie ihm eine lebhafte Schilderung der morgendlichen Szene gab und zu Edwards Entzücken ihre Imitation von Mrs Greenholtz wiederholte.
    »Sie sind wirklich wunderbar, Victoria«, rief er, »Sie sollten beim Theater sein.«
    Victoria quittierte dieses Kompliment mit einem geschmeichelten Lächeln und mahnte Edward, er möge sich sputen, wenn er nicht selbst vor die Tür gesetzt werden wolle.
    »Ja, und ich würde nicht so leicht einen anderen Posten bekommen wie Sie. Es muss wunderbar sein, eine gute Stenotypistin zu sein«, sagte Edward neidisch.
    »Genau genommen bin ich keine gute Stenotypistin«, gab Victoria offen zu, »aber zum Glück bekommen auch die miserabelsten Stenotypistinnen heutzutage irgendeine Stellung. Was machen Sie denn? Ich vermute, Sie waren im Krieg bei der RAF?«
    »Richtig geraten.«
    »Kampfflieger?«
    »Wieder richtig geraten. Die Leute sind wirklich sehr anständig und bemühen sich, uns Stellungen zu verschaffen und so weiter; aber wissen Sie, das Unglück ist, ich bin nicht besonders begabt. Es ging ganz gut im Krieg. Da konnte man seinen Mann stehen – ich habe zum Beispiel das D. F. C. bekommen –, aber jetzt, jetzt könnte ich mich genauso gut abschreiben. Nun, ich muss fort … Sagen Sie … wären Sie sehr böse … wäre es eine große Frechheit …?«
    Als Victoria große, erstaunte Augen machte,
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