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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel
Autoren: Frank S Becker
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Lebens von fremden Gedanken bestimmt war, nicht von meiner eigenen Erkenntnis?«
    »Doch, das darfst du.« Sie beobachtete eine Dromone, die soeben ihre Ruder anlegte und in den Hafen glitt. »Nur hat Erkenntnis ohne Handeln wenig Wert.«
    »Da hast du Recht. Deshalb habe ich beschlossen, die mir gestern angebotene Bischofswürde auszuschlagen.«
    »Einfach so?«, verwunderte sie sich, »und von was willst du leben?«
    »Ich könnte mir die soeben frei gewordenen Stelle als Oberaufseher über die sechshundert Bediensteten der Hagia Sophia erbitten.«
    »Und wenn dir der Patriarch diesen Wunsch versagt?«
    Patricius zögerte, ergriff ihren Arm. »Dann werde ich ein einfacher, schlecht entlohnter Priester. Auch dann bin ich frei, mir eine Frau zu nehmen – wenn sie mich trotzdem lieben kann.« Seine Stimme stockte. »Würdest du mich wollen?«
    Pelagia schluckte. In dem Augenblick, da sie nur ein Wort sagen musste, um ihren lang gehegten Wunsch erfüllt zu sehen, plagten sie Zweifel und Angst vor dieser Bindung. Würde sie die Liebe dieses Mannes erwidern können? Hatte sie überhaupt jemals geliebt? Sanft schob sie seine Hand zur Seite.
    »Eine Frau, die schon in den Armen eines anderen lag?«
    »Ja, die will ich. Nach Kirchenrecht warst du nicht verheiratet, Daud hat dir bloß Gewalt angetan.«
    Pelagia hatte das anders in Erinnerung, von den Nächten mit Mizizios ganz zu schweigen. Doch sie nickte nur.
    »Eine Frau, die hinkt und nicht mehr jung ist? Die dir vielleicht keine Kinder mehr schenken kann?«
    »Ja, die will ich. Du bist wunderschön. Und ob wir noch Kinder haben werden oder nicht, liegt in Gottes Hand.«
    »Aber bist du dir auch sicher, dass du eine Frau erträgst, die ihren eigenen Willen hat? Die nicht einfach alles glaubt, was ein Papst, der Patriarch oder ihr Ehemann verkündet?«
    Patricius seufzte, dann schmunzelte er. »Ich bin mir sicher. Und vielleicht hat Gott ja bestimmt, dass meine Prüfungen noch nicht zu Ende sind …«
    »Das wäre wohl der widersinnigste Heiratsgrund, von dem ich je gehört habe!«
    »Bitte entschuldige, ich wollte dich nicht kränken«, lenkte Patricius mit einem Lächeln ein. »Willst du meine Frau werden?«
    Pelagia betrachtete das Meer. Das Meer, das sie von Karthago nach Rom getragen hatte, als junges Mädchen voller Hoffnungen. Das Meer, auf dem sie als Sklavin nach Alexandria verschleppt worden war, krank und elend im Bauch des Sarazenenschiffes. Das Meer, das heute eine ganze Flotte mit Tausenden von Männern verschlungen hatte. Das Meer, das so lebendig und unberechenbar war wie das menschliche Dasein.
    »Vielleicht«, sagte sie leise, wie zu sich selbst, »vielleicht will ich das.«

Nachwort
    Wenn man auf Entdeckungsreise gehen will, sind ›dunkle Jahrhunderte‹ oft die spannendsten. Ein Beispiel dafür ist die Zeit zwischen Antike und Mittelalter, die wegen schwieriger Quellenlage in den Schulbüchern meist übersprungen und von Romanautoren gemieden wird. Wann endet nun aber die eine, wann beginnt die andere Epoche? Die üblicherweise genannte Absetzung des letzten weströmischen Kaiserleins im Jahre 476 war ein Datum ohne Bedeutung. Im Bewusstsein der Zeitgenossen bestand das Römerreich fort, auch wenn die Kaiser künftig nur noch in Konstantinopel residierten. Folgerichtig bezeichneten sich die Byzantiner selbst immer als Römer (Rhomaioi) und wurden von den Arabern ›Rum‹ genannt.
    Die Schlacht am Yarmuk 636, mit der Syrien und bald darauf der ganze Nahe Osten der islamischen Herrschaft zufiel, leitete jedoch eine wahre Zeitenwende ein. Im 7. Jh. zerbrach die Einheit des bis dahin römisch geprägten Mittelmeers und es bildete sich die noch heute bestehende religiöse und politische Zweiteilung heraus. Von daher ist es sinnvoll, darin den Beginn des Mittelalters zu sehen. Für Hunderte von Jahren führte Europa einen verzweifelten Abwehrkampf, bekannt sind der Sieg von Karl Martell in Frankreich 732 sowie die abgewehrten Türkenbelagerungen von Wien 1529 und 1683. Doch 673 drohte dem politisch zersplitterten Europa eine viel größere Gefahr, denn das Kalifenreich bot seine gesamte Flottenmacht auf, um die Entscheidung zu erzwingen. Der nach vier Jahrzehnten byzantinischer Niederlagen vor Konstantinopel endlich errungene Sieg kann in seiner Bedeutung für die weitere Entwicklung unseres Kontinents gar nicht überschätzt werden. Ohne ihn wären wir jetzt vielleicht genau so muslimisch wie Nordafrika.
    Seltsamerweise ist jedoch diese entscheidende
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