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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel
Autoren: Frank S Becker
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Stück landeinwärts war das Strohdach einer niedrigen Fischerkate zu erkennen, über der vom Wind zerzauster grauer Rauch in den Himmel stieg. Als sie das Curragh erreichten, sahen sie, dass es alt und oftmals geflickt, aber in brauchbarem Zustand war. Es schien in letzter Zeit nicht benutzt worden zu sein, denn der Wind hatte Sand hineingeweht, und Möwen hatten ihre weißen Kotspuren an den Bordwänden hinterlassen. Kilian kniete sich auf den Strand und betastete das Boot, als könne er es nicht fassen, strich über die lederne Außenhaut, nahm andächtig ein Paddel in die Hand und zeigte dann zum Meer hinaus.
    »Wir haben noch fast zwei Stunden, bevor die Flut voll einsetzt. Wenn wir zu der Felsenklippe hinausfahren, finden wir dort im Handumdrehen mehr Tang, als hier am ganzen Tag. Was meinst du?«
    Padraich sah das Glänzen in den Augen seines Freundes und nickte zögernd. »Aber das Curragh gehört jemandem, wir können es nicht einfach nehmen.«
    »Dann werden wir bei der Hütte fragen«, lachte der andere. »Wer zuerst dort ist, hat gewonnen!«
    Sie liefen, dass ihre grauen Umhänge flatterten, und gelangten gleichzeitig atemlos bei der Fischerkate an. Netze hingen an der Wand, etwa zehn Schritte entfernt standen auf einem grob gezimmerten Holztisch drei Bienenstöcke, um die herum es eifrig summte. Kilian klopfte höflich an.
    Nach einer Weile waren leichte Schritte zu hören. Die Türe ging auf und die jungen Mönche erstarrten. Vor ihnen stand eine hochgewachsene, fast hagere Frau, die mit der Linken ihr offensichtlich flüchtig übergestreiftes Gewand zusammengerafft hielt. Ihr langes, verstrubbeltes Haar war tropfnass und glänzte wie poliertes Kupfer in der Sonne. Sie mochte etwa Mitte Dreißig sein und schien jemand anderen erwartet zu haben.
    »Wer seid ihr? Kommt ihr vom Kloster?« Bei diesen Worten musterte sie Padraich, der stumm nickte.
    »Ja, wir müssen Tang für die Felder sammeln«, antwortete Kilian und lächelte gewinnend. »Da es am Ufer kaum etwas gibt, wollten wir fragen, ob wir das Boot leihen dürfen. Nur für zwei Stunden …«
    Er wandte sich unwillig zu Padraich um, der seine Schulter gepackt hatte, als ob er ihn wegziehen wollte, und ihm ins Ohr flüsterte: »Denk daran, was Johannes Cassianus gesagt hat: Der Mönch muss den Bischof und die Frau fliehen!«
    »Und du selbst hast gesagt, dass wir fragen müssen!«, gab Kilian leise zurück und blickte wieder der Frau ins Gesicht. Diese musterte die beiden unter hochgezogenen Brauen und lächelte dann: »Kommt rein, ich will mich nicht erkälten. Oder meint ihr, in Brigids Hütte lauerten Gefahren für euer Seelenheil?«
    Kilian schüttelte den Kopf, und die Jungen bückten sich, um durch die niedrige Türe zu treten. Innen hing ein großer, bronzener Wasserkessel über einem kleinen Feuer, daneben lagen eine Bürste, ein Kamm und ein Stück Seife auf einem Brett.
    »Wir wollten nicht stören«, begann Padraich entschuldigend, »wenn wir gewusst hätten, dass …«
    »Ihr stört keineswegs«, entgegnete die Frau und strich sich gedankenverloren eine Haarsträhne aus der Stirne. »Und was meinen Mann betrifft, nach dem ihr sicher gerade fragen wolltet …«, die Jungen nickten unwillkürlich, »der treibt sich schon seit einer Woche in irgendwelchen, einige Tagesreisen entfernten Schänken herum. Erst hoffte ich, er sei es endlich, aber wenn ich es genau bedenke …«, bei diesen Worten lockerte sich der Griff, der ihren Umhang zusammenhielt, und Padraich konnte einen Blick auf zwei helle Wölbungen erhaschen. Brigid bemerkte es und lächelte, dass sich die Fältchen um ihre grünen Augen kräuselten. »Wenn ich es genau bedenke, ist mir die Gesellschaft von zwei so stattlichen jungen Männern sogar lieber. Wollt ihr etwas Met?«
    Sie wies auf einen Krug auf dem Tisch, doch sie lehnten dankend ab. Daraufhin holte sie ein Handtuch und begann, sich die Haare trocken zu reiben, ohne auf ihre verwirrten Gäste zu achten, die mit gesenkten Blicken im Raum standen. Anschließend kämmte sie mit langen, fließenden Bewegungen ihre bis auf die Schulter fallenden Strähnen glatt, bevor sie die Besucher wieder anblickte. Ihr Gesicht war kantig, sonnengebräunt und von einer Narbe auf der Stirne gezeichnet, so dass man es nicht als schön bezeichnen konnte. Doch die jungen Mönche hatten seit Jahren keine Frau gesehen, wenn man von einigen alten Weibern absah, die gelegentlich Kräuter oder Pilze brachten. So spähten sie verstohlen nach
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