Shy Black – Detektiv mit allen Sinnen (Romantica-Novellenreihe) (German Edition)

Granit. Marlene und Claude waren die einzigen, die nicht nach Feierabend zu „haben“ waren.
    Rudi und Lilly nahmen es da weniger genau, selbst die kleine, blonde Elfie spazierte ab und zu mit einem wohlhabenden Galan hinaus, wenn die Pforten des Chalets schlossen. Mit kleinen Aufmerksamkeiten war sie leicht zu einem Stelldichein zu überreden. Marlene war da ganz anders, sie nahm von ihren Kunden keinerlei Geschenke an und ging nach Feierabend immer direkt nach Hause in ihre kleine Wohnung ein paar Straßenzüge weiter. Manchmal begleitete Claude sie ein Stück. Sie sprachen nie viel und hatten das Gefühl, sich auch ohne Worte zu verstehen. Wenn der eine oder andere mal Kummer hatte, so trösteten sie einander.
    Kein Wunder, dass die anderen drei dachten, sie hätten was miteinander. Claude schmunzelte bei dem Gedanken. So apart Marlene auch ausschaute, es lag ihm fern, sie als Frau zu sehen. Sie waren Freunde, mehr nicht. Gute Freunde eben.
    Kurz nach Mitternacht betraten drei Männer das Lokal. Zweien davon sah man die Gestapo schon von weitem an. Sie trugen braune Mäntel über den Anzügen. Der dritte trug die Uniform eines Leutnants der Luftwaffe. Der dicke Egon warf einen nervösen Blick auf die eintretenden Männer. Am gleichen Tag schon eine Kontrolle? Dann atmete er unhörbar auf. Die Drei setzten sich wie normale Gäste an einen der freien Tische und bestellten eine Flasche Schampus.
    So ist´s recht, dachte der Inhaber und hoffte inständig, dass die Kapelle sich an seine Anordnung hielt, nur deutsche Lieder zu spielen. Das tat sie nicht ganz. Georg Goldmann, der Kapellmeister hob den Taktstock und es ertönte der alte, französische Schlager J´attendrai – den hatte man allerdings eingedeutscht, insofern hoffte Egon, dass die drei Jungs von der Gestapo diese als die deutsche Version Ich warte auf dich aufnehmen würden. Die Offiziere ließen sich nichts anmerken. Sie lachten und schäkerten mit den hübschen Nachbarinnen. Der dicke Egon wandte sich an Otto, den kahlköpfigen Barmann und Ex-Boxer, beugte sich zu ihm über die Theke und flüsterte diesem zu: „Lilly und Marlene sollen die da mal auf andere Gedanken bringen.“ Er deutete auf den besagten Tisch.
    Der Barmann nickte und winkte die Damen heran. Lilly war es egal, nur Marlene zögerte kurz. Claude, der immer noch an der Bar saß, bekam Egons Wunsch mit halbem Ohr mit. Er folgte Marlenes Blick zu dem einzeln stehenden Tisch der eher ungeliebten Gäste. Seine Augen leuchteten kurz auf.
    Der junge Mann da drüben gefiel ihm, trotz seiner unterkühlten Ausstrahlung. Er mochte etwa in seinem Alter sein. Militärisch kurzgeschnittenes dunkelblondes Haar, klassische Gesichtszüge und grüne Augen. Das einzige, was Claude störte, war die Uniform eines Leutnants der Luftwaffe. Das Dunkelblau ließ den blassen Teint noch heller erscheinen. Der junge Mann schaute kurz hinüber in seine Richtung. Die Kälte in seinen Augen wirkte plötzlich wärmer - wie das Grün einer Waldlichtung. Oder sollte Claude sich täuschen? Ihre Blicke trafen sich nur für einen winzigen Augenblick, bevor die Tanzenden den Gästen an der Bar wieder die Sicht auf die Tische versperrten.

    Im September 2012 erscheint die nächste Novelle, lasst Euch entführen in eine andere Welt. ROMANTICA - zum Lesen, Entspannen und Sammeln!

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