Showtime! (German Edition)
Deutschland nehmen.
Jahrelang hatte er sie in den Briefen, die er ihr geschrieben hatte, bekniet, es ihm gleichzutun und mit ihrer Vergangenheit aufzuräumen, um endlich damit abschließen und neu anfangen zu können.
Jetzt endlich, nach all den Jahren, war die Nachricht gekommen, auf die er so sehr gehofft hatte. Seine große Schwester, die Ikone seiner Kinderzeit und Jugend, war bereit, den Kampf aufzunehmen. Und so lautete der Text der E-Mail, die er aus Berlin erhielt, schlicht und einfach: Ich mach's. Bist du mein Sekundant? Und er wusste, dass es endlich so weit war. Sie brauchte seine Hilfe und Unterstützung, ohne die sie es sich nicht zutrauen würde.
Seine Antwort aus Australien ließ sie wissen, dass er selbstverständlich für sie da war. Da er geschäftlich sowieso nach London müsste, schrieb er, sie solle ihm mitteilen, wann sie kommen wolle, dann würde er ihr ein Stück entgegenkommen und sie auf dem Heimflug nach Sydney begleiten. P.S.: Damit ich sicher sein kann, dass du wirklich ankommst, verdammter Feigling.
Auf seinem Hotelzimmer redeten sie die ganze Nacht, doch eigentlich war es mehr Joey, der erzählte. Von der Hochzeit mit der Tochter seines vermögenden Firmenchefs, zu der Georgia nicht hatte kommen wollen. Von seinem kleinen Sohn und von ihrem Bruder, Andrew, der es Georgia gleichtat und ruhelos die halbe Welt bereiste, sein wahres Zuhause noch nicht gefunden hatte. Er lachte und lästerte: «Der hat seinen Arsch in seinem ganzen Leben nie woanders als auf einem Campingklo geparkt - und er guckt heute noch vorher nach, ob er Redback-Spinnen da drin hat, sogar in der Schweiz, der Knallkopf.»
Sie tauschten Fotos aus.
Sheilas Bilder in der Hand, verging Joey das breite Dauergrinsen, das er seit dem Flughafen auf den Lippen gehabt hatte. «Prächtiges kleines Mädchen» sagte er, und dabei lag ihm etwas ganz anderes auf der Zunge. Er sah Georgia, damals, als sie Pläne ausklügelte, nach New South Wales durchzubrennen, wo sie ihre Mutter wartend glaubte. Für ihn und Andy war sie immer stark und kämpferisch gewesen, draufgängerisch und wild, und erst viel später hatte er ihr wahres Wesen begriffen; sich erinnert, wie viel sie geweint hatte, im Verborgenen, damit die kleinen Brüder es nicht sahen. Sie war schon immer eine gute Schauspielerin gewesen.
Sheila war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Doch ihre dunklen Augen hatten nicht diesen gehetzten, misstrauischen Blick.
«Du weißt wirklich nicht, wer der Vater ist?» fragte er.
«Bin nicht sicher» nuschelte Georgia, einen Lolly im Mund, statt der x-ten Zigarette. «Kann dieser Franzose gewesen sein, bei dem der Gummi gerissen ist. Keine Ahnung, wie der Kerl aussah, aber wenn Sheila von ihm ist, hat er ihr gute Gene mitgegeben. Gott sei Dank. Und sie hat in Berlin den besten Daddy, den man sich wünschen kann. Er liebt sie und tut alles für sie.» Georgia blickte aus dem Fenster, als würde sie in Gedanken die Kilometer zählen, die sie jetzt schon von ihr trennten. «Sie ist alles für mich.»
Joey nickte und gab ihr das Foto zurück. «Wirst sie vermissen.»
«Nein, ich werde sterben, wenn ich sie so lange nicht sehe.» Sie starrte abwesend in den Raum. «War wirklich eine verdammt leichte Entscheidung, hier herzukommen. Mann, Joey, du blöder Arsch - hättest du nicht schreiben können, der Zeitpunkt ist schlecht oder so? Was, wenn ich's nicht schaffe?»
Er schloss sie in den Arm und hielt sie einfach nur fest, bis sie ihn von sich schob und spröde sagte: «Komm schon, Alter, nun werd' mal hier nicht sentimental, ja? Ist ja peinlich.»
So und nicht anders kannte er sie.
*
Er hielt Georgias schweißnasse Hand, als sie in den Flieger stiegen, streichelte ihr beruhigend den Rücken, als etliche Rückkopplungen Frühstück und aufgeschwatzte Snacks in die Tüte gingen, und musste sie förmlich die Gangway hinunter schieben, als das Flugzeug in Sydney gelandet war. Geschlafen hatte sie nicht einen Moment, und in Bangkok wäre sie am liebsten geblieben, statt den Weiterflug nach Australien anzutreten.
«Lange nicht mehr in Oz gewesen, was, Georgie?» neckte er sie, als sie geistesabwesend trotz vorherigen Londonaufenthaltes auf der Fahrerseite des Taxis einsteigen wollte. Sämtliche Versuche, sie aufzuheitern, schlugen fehl.
Angespannt und wortkarg blickte sie zum Fenster hinaus und ließ vertraute und doch veränderte Straßenzüge der Innenstadt an sich vorbeiziehen. Seit dem
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