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Short Stories - Sammelband 5-faches Lesevergnuegen

Short Stories - Sammelband 5-faches Lesevergnuegen

Titel: Short Stories - Sammelband 5-faches Lesevergnuegen
Autoren: Baerbel Muschiol
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die Wohnung des Grauens.
     

    In meiner besonderen Situation kann man es wirklich nur Glück nennen.
    Entweder war Markus Schmidt, mein Chef, vor vier Wochen dermaßen betrunken, dass er sich nicht mehr an diese verhängnisvolle Nacht erinnert. Oder er hatte den gleichen Gedanken, die Nacht einfach so lange totzuschweigen, bis man selbst davon überzeugt ist, dass sie nie stattgefunden hat. Ich für meinen Teil kann mit beiden Varianten leben. Hauptsache, wir können im Büro professionell miteinander umgehen.
     

    In Gedanken versunken sitze ich an meinem Schreibtisch, wickle mir nachdenklich eine Strähne meines schulterlangen Haares um den Zeigefinger und versuche, mir einen Werbeslogan zum Produkt Zuckerwatte einfallen zu lassen. Es ist Jahre her, das ich das letzte Mal eine gegessen habe. Ich bin jetzt neunundzwanzig, es dürften also mindestens vierundzwanzig Jahre seit meiner letzten Zuckerwatte vergangen sein.
    Süß und pappig, auf einem Holzstäbchen klebend, ist das nun wirklich die falsche Süßigkeit für mich. Eine Firma in Berlin hat sich in den Kopf gesetzt, mit farbiger Zuckerwatte einen neuen Trend zu schaffen. Jetzt liegt es an mir, eine Möglichkeit zu finden, sie möglichst vorteilhaft zu vermarkten. Der normale Trubel, der in einer Werbeagentur herrscht, beruhigt mich. Telefone klingeln, Stimmen surren durch die perfekt temperierte Büroluft. Ich beobachte meine Kollegin, die mittlerweile den Titel Freundin viel mehr verdient hat. Sie hat die undankbare Aufgabe, sich mit dem Thema Esspapier herumzuärgern. Auch wenn Zuckerwatte schon nicht so besonders ist, Esspapier ist nochmal eine ganz andere Nummer.
    Mit neuem Elan geladen, schnappe ich mir mein Telefon und wähle die Durchwahl zu ihr. „Hey, Anne, Lust auf ein bisschen Recherche zum Thema Zuckerwatte?“ Grinsend beobachte ich, wie sie sich zu mir umdreht. Räumlich durch drei Schreibtische getrennt, erkenne ich trotz der Entfernung das Lächeln auf ihrem Gesicht. „Das ist unfair, das hilft mir nicht weiter. Diese Sache mit dem Esspapier schlaucht mich.“ Natürlich weiß ich, worauf sie hinaus will und gebe mich geschlagen.
    „ Abgemacht, ich spendiere dir eine Zuckerwatte und dann suchen wir uns irgendeinen Laden, in dem es auch Esspapier gibt. Auf geht`s, Süße, gib dir einen Ruck.“ Um ganz sicherzugehen, setzte ich noch schnell meinen Trumpf ein. „Du weißt ganz genau, dass das Volksfest nur noch dieses Wochenende ist, dann habe ich keine Möglichkeit mehr, mich gute zwanzig Jahre zurückzuversetzen.“ Ich höre ihr übertrieben lautes Seufzen durch den Hörer, gewonnen. „Abgemacht, wir treffen uns in zwanzig Minuten unten.“ Ich kenne Anne mittlerweile gut genug und weiß, dass sie in maximal zehn Minuten unten steht. „Abgemacht Süße, bis gleich.“
     

    Während des Telefonates habe ich die Zeit genutzt, meinen Rechner auszuschalten, meinen Schreibtisch einigermaßen in Ordnung zu bringen und meinen Lippenstift nachzuziehen. Wie heißt es so schön:
    Gibt das Leben dir Zitronen, frag nach Salz und Tequila.
    Damit beschäftigt, die Schachtel Gauloises in meiner Handtasche zu suchen, setze ich meine Füße Schritt für Schritt Richtung Aufzug.
     

    Es ist Freitagabend und ich habe nichts Besseres zu tun, als auf ein Volksfest zu gehen, um dort Zuckerwatte zu essen. Mein letzter Sex ist auf den Tag genau vier Wochen her und war zudem der schlechteste meines Lebens. Wie um alles in der Welt soll ich so kreativ und spritzig sein? Es muss sich dringend etwas in meinem Leben ändern. Diese ewige Monotonie macht meine Woche zu einer Dauerschleife. Woche für Woche arbeite und erledige ich meine Pflichten. Und wenn ich mich dann endlich durch die sieben Tage der Frustration gekämpft habe, beginnt alles von Neuem. Jetzt, in genau diesem Moment, muss sich mein Leben ändern, ich muss mich ändern. Mit neuem Mut, Selbstsicherheit und einer gehörigen Portion Entschlossenheit öffne ich die oberen zwei Knöpfe meiner weißen Bluse. Der gerade noch knielange Rock wird schnell etwas weiter nach oben gezogen und so in einen Mini verwandelt.
    Der brave Pferdeschwanz hat ebenfalls ausgedient. Schnell ziehe ich den Haargummi heraus und wuschle meine Mähne auf. Fertig!
     

    Die verspiegelte Wand des Aufzugs zeigt mir, dass ich genau das Richtige getan habe. Meine grünen Augen, eingerahmt von meinen schwarzen Haaren. Der weiße Spitzen-BH ist nur leicht zu sehen, reizt das männliche Auge und macht Appetit auf mehr. Damit, dass
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