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Shogun

Shogun

Titel: Shogun
Autoren: James Clavell
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hörte auf, den Sturm zu verfluchen, versuchte das Ruder mit Gewalt nach Backbord herumzureißen. Doch das Schiff verleugnete sein Ruder, und auch die See kümmerte sich nicht darum.
    »Dreh dich, du Höllenhure!« keuchte er. Seine Kraft verließ ihn zusehends. »Helft mir doch!«
    Die See lief rascher und rascher, und er meinte, sein Herz zerspringe; trotzdem kämpfte er gegen den Druck des Wassers an. Er versuchte, die Augen auf ein bestimmtes Ziel gerichtet zu halten, doch alles um ihn herum drehte sich; die Farben gingen durcheinander und verblaßten. Das Schiff war tot, und genau in diesem Augenblick rutschte der Kiel über eine Schlickbank. Die Erasmus fuhr herum. Das Ruder griff in die See. Und dann vereinten Wind und Wasser sich, dem Schiff zu helfen; gemeinsam drehten sie es vorm Wind herum, und es rauschte durch den Engpaß hindurch in Sicherheit – in die Bucht, die dahinter lag.

Erstes Buch
    1. Kapitel
    Blackthorne war plötzlich wach. Einen Augenblick vermeinte er zu träumen, weil er an Land war und der Raum unfaßlich: klein und sehr sauber und mit weichen Matten ausgelegt. Er selbst lag auf einer dicken wattierten Decke; eine andere war über ihn gebreitet. Die Zimmerdecke bestand aus poliertem Zedernholz und die Wände aus Zedernrahmen, die mit einem durchscheinenden Papier bespannt waren, welches das Licht angenehm dämpfte. Neben ihm stand ein leuchtend rotes Tablett mit kleinen Schalen darauf. In der einen befand sich kaltes gegartes Gemüse, das er heißhungrig hinunterschlang, ohne des pikanten Geschmacks recht gewahr zu werden. In einer anderen war Fischsuppe – auch diese Schale leerte er. Eine dritte enthielt einen dicken Gerstenbrei, den er gleichfalls rasch aufaß, wobei er sich seiner Finger bediente. Das Wasser in einem eigenartig geformten Trinkgefäß war warm und schmeckte sonderbar – leicht bitter, aber durchaus nicht unangenehm.
    Dann bemerkte er das Kruzifix in der Nische.
    Dann bin ich also in einem spanischen oder portugiesischen Haus, dachte er und der Schreck fuhr ihm in die Glieder. Bin ich hier auf den japanischen Inseln? Oder in Kathay?
    Ein Rahmen der Wand glitt beiseite. Eine nicht mehr ganz junge gedrungene Frau mit rundem Gesicht kniete neben der Tür und verneigte sich lächelnd. Ihre Haut war golden, ihre Augen dunkel und schmal, und ihr langes schwarzes Haar war auf dem Kopf hochgetürmt. Sie trug eine graue Seidenrobe nebst kurzen weißen Socken mit dicker heller Sohle und eine breite violette Schärpe um den Leib.
    »Goshujinsama, gokibun wa ikaga desu ka ?« sagte sie. Als er sie verständnislos anstarrte, wartete sie – dann sagte sie es noch einmal.
    »Bin ich hier in Japan?« fragte er. »In Japan? Oder in Kathay?«
    Diesmal war es an ihr, ihn verständnislos anzustarren, und dann sagte sie etwas anderes, was er nicht verstehen konnte. Plötzlich ging ihm auf, daß er nackt war. Seine Kleidung war nirgends zu sehen. Mittels Zeichensprache gab er ihr zu verstehen, daß er sich anzuziehen wünsche. Dann zeigte er auf die leeren Schalen, und sie begriff, daß er noch Hunger hatte.
    Lächelnd verneigte sie sich und schob die Tür wieder zu.
    Erschöpft legte er sich zurück. Die noch ungewohnte Bewegungslosigkeit des Bodens war schuld, daß sich in seinem Kopf alles drehte, doch raffte er sich zusammen, um sich wieder zu fangen. Ich erinnere mich, daß wir den Anker warfen, dachte er. Zusammen mit Vinck. Ja, ich glaube, es war Vinck. Wir befanden uns in einer Bucht. Die Erasmus war auf eine Schlickbank aufgelaufen und bewegte sich nicht mehr. Zwar konnten wir hören, wie die Wellen sich am Ufer brachen, aber es bestand keine Gefahr mehr. Am Ufer waren Lichter zu erkennen, dann lag ich in meiner Kammer, und es wurde Nacht um mich. An etwas anderes erinnere ich mich nicht mehr. Dann kamen Lichter durch die pechschwarze Nacht und sonderbare Stimmen. Ich redete englisch, dann portugiesisch. Einer von den Eingeborenen sprach ein wenig portugiesisch. Oder war er vielleicht sogar Portugiese? Nein, ich glaube, er war Eingeborener. Habe ich ihn gefragt, wo wir wären? Ich weiß es nicht mehr. Dann waren wir wieder im Riff, und die große Woge kam abermals herangerauscht, ich wurde hinausgerissen auf die See und war am Ertrinken – nein, die See war warm und wie ein ellendickes Seidenbett. Sie müssen mich an Land getragen und hierhergebracht haben. »Es muß dieses Bett hier gewesen sein, das sich so weich und warm anfühlte«, sagte er laut. »Ich habe noch nie
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