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Shimmer

Shimmer

Titel: Shimmer
Autoren: Hilary Norman
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hatte Martinez gesagt.
    Das war der Grund, warum sie sich nun hier, auf den heißen, feuchten Straßen von South Beach, einzig auf ihr Bauchgefühl verlassen mussten, während sie die üblichen Fragen stellten.
    »Also gut.« Sam ging als Erster über die Collins. »Was könnte unserem Unbekannten passiert sein?«
    »Ein häuslicher Streit war es nicht«, sagte Martinez, »jedenfalls kein Ehestreit.«
    »Ein gescheiterter Raubüberfall?«, warf Sam ein, denn blinde Wut, das wussten sie aus Erfahrung, konnte durch alles Mögliche ausgelöst werden. Vielleicht war ihr Opfer ein reicher Kerl mit dicker Brieftasche und brillantenbesetzter Rolex gewesen ...
    ... jedenfalls bevor der oder die Täter das Leben aus ihm herausgewürgt, sein Fleisch brutal zerfetzt und eine nach wie vor nicht identifizierte Chemikalie über seine Wunden gegossen hatten.
    »Drogen oder Sex«, sagte Sam. »Oder beides.«
    »Sex«, entschied Martinez. »Ein Schwulendate, das nicht so gelaufen ist wie geplant.«
    Die Zerstörung von Körper und Gesicht zeugte von einem wilden Verlangen nach Gewalt, und die beiden Beamten wussten aus Erfahrung, dass Morde mit homosexuellem Hintergrund bisweilen außergewöhnlich gewalttätig waren.
    »Mal abgesehen von dem Würgen«, fuhr Sam fort, als sie auf den Ocean Drive einbogen, »galt der Angriff seiner Haut.«
    Musik dröhnte aus den Restaurants. Hübsche Kellnerinnen standen auf dem Bürgersteig und boten ihre Waren, Speisekarten und Lunchgutscheine feil.
    »Aber da war er schon tot«, sagte Martinez. »Das spricht gegen Sadismus.«
    »Vielleicht hat die Tat einen rassistischen Hintergrund«, meinte Sam.
    Rassistische Verbrechen deprimierten ihn nicht nur, sie machten ihn regelrecht krank.
    »Rassismus und Sex«, sagte sein Partner. »Wer weiß das schon?«
    »Es ist unser Job, so was zu wissen«, erwiderte Sam.
    Mildred hatte keinen Hunger. Dass es auf der Straße hieß, ein Mann sei auf grausame Art ermordet worden, hatte ihr den Appetit verdorben.
    »Nein, danke«, sagte sie zu Sam, als der ihr ein Sandwich anbot.
    Sie waren nur zu zweit; Martinez war wieder ins Büro zurückgekehrt. Um der Sicherheit willen und aus gesundem Menschenverstand gingen die beiden Detectives nur selten alleine los, doch es gab Ausnahmen von dieser Regel, und eine davon war Mildred. Man konnte ihr vertrauen. Und sollte sie wirklich wichtige Informationen haben, würde sie nicht so unbefangen darüber reden, wenn außer Sam noch jemand dabei war.
    »Das ist nichts Persönliches«, hatte sie einmal zu Martinez gesagt, als dieser Sam zu einem Treffen mit ihr begleitet hatte. »Ich habe bloß einen Narren an Detective Becket gefressen, verstehen Sie?« Dann hatte sie mit ihren scharfen blauen Augen gezwinkert, und auf ihrem faltigen, wettergegerbten Gesicht war ein Lächeln erschienen. Martinez hatte die Gelegenheit genutzt und ihre vom Alter fleckige Hand geküsst. Mildred hatte gelacht; es schien ihr zu gefallen. Dennoch hatte sie weiterhin darauf gewartet, dass Martinez verschwand.
    Die Lady hat wirklich etwas Würdevolles an sich, war es Sam durch den Kopf gegangen, als er sich ihrem üblichen Treffpunkt genähert und sie erblickt hatte. Wie eine Gastgeberin, die auf ihre Gäste wartete, saß Mildred inmitten ihrer Besitztümer auf der von Palmen beschatteten, türkis gestrichenen Bank am Spielplatz, nicht weit vom Ocean Drive und der Sechsten Straße entfernt. Dies hier war ihr Flecken, der Ort, wo sie des Nachts schlief und für ein paar Auserwählte Hof hielt. Zwar hatte Sam sie auch schon ein paar Mal auf der Washington Avenue und am Strand gesehen, dennoch hatte er keine Ahnung, wo sie den Rest ihrer Zeit verbrachte, wenn sie nicht gerade auf ihrer Bank hockte.
    Mildred lud Sam ein, sich zu setzen, und lehnte das Sandwich ab, akzeptierte aber den Wein. Sam wusste es besser, als ihr vorzuschlagen, ein Sandwich für später zu nehmen. Es war Juni – Käse, Schinken und Butter würden binnen kürzester Zeit schlecht werden, und Mildred Bleeker hatte ihre Prinzipien.
    »Darf ich Ihnen einen Drink anbieten, Samuel?«
    Seit dem Tod von Judy Becket, Sams Adoptivmutter, hatte niemand mehr ihn so genannt, doch Mildred glaubte, dass man mit Namen aus der Bibel kein Schindluder treiben sollte, und hatte Sam daran erinnert, dass seine Eltern den Namen vermutlich aus gutem Grund ausgesucht hätten.
    Nun hielt sie ihm die Flasche hin, das Etikett nach außen, fast wie ein Ober in einem Nobelrestaurant. Das war beinahe schon ein
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