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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde
Autoren: Nicholas Meyer
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Pestkommission berufen wurden. Man übertrug mir die Forschungsarbeiten an der pneumonischen Pest, und ich begann sogleich mit der Arbeit.
    In der Zwischenzeit raste die Pest durch Bombay und vernichtete Hunderttausende, aber das Unglück blieb mir treu, meine Frau widerstand der Infektionsgefahr. Mißverstehen Sie mich nicht. Ich wünschte ihr nicht, so zu sterben« – er wies mit einer schwachen Geste auf sich selbst –, »aber ich wußte, daß ihr Leben eine Bürde für sie war, und ich betete, daß sie von der Krankheit befallen und erlöst werden möge. Gott vergebe mir dieses Gebet!« rief er inbrünstig.
    Er brach wieder ab, dieses Mal, um nach Atem zu ringen, und saß eine Weile keuchend und pfeifend da wie ein abscheulicher Blasebalg. Dann sammelte er Kraftreserven, die ich nicht mehr in ihm vermutet hatte, lehnte sich vor, ergriff die Karaffe und trank daraus. Er hielt sie mit unsicherer Hand, und das Wasser rann über sein Kinn in seinen offenen Kragen. Er ließ die Karaffe zu Boden fallen, wo der Teppich sie vor dem Zerbrechen bewahrte.
    »Die Pestkommission beschloß, mich nach England zu schicken«, nahm er seine Erzählung wieder auf. »Jemand mußte die Recherchen fortsetzen, während die anderen die Krankheit an Ort und Stelle bekämpften. Ich hatte einen gewissen Erfolg mit einer Jodmischung gehabt, die innerhalb von zwölf Stunden nach der Infektion angewendet werden mußte, und die Kommission wünschte, daß ich die Möglichkeiten von Impfungen mit dieser meiner Lösung untersuchte. Man kam überein, daß sich England für diese Forschungsarbeit besser eigne, da die von der Krankheit verursachten Verwüstungen die nötigen Einrichtungen und Anlagen auf ein Minimum beschränkt hatten und eine absolute Kontrolle über die Experimente erschwerten.
    Dieser Beschluß kam mir keineswegs ungelegen. Im Gegenteil, er versah mein Gewissen mit einem guten Vorwand, diesen pestverseuchten Platz zu verlassen, der nichts für mich bereithielt als trübe Erinnerungen und eine Frau, die ich weder gesundmachen noch loswerden konnte. Ich hatte jahrelang erwogen, mein Leben in Indien aufzugeben, und jetzt bot sich eine legitime Gelegenheit. Alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen wurden ergriffen, und ich überführte Proben des pneumonischen Pest-Bazillus nach London ins St.-Bartholomews-Krankenhaus, wo man mir ein Notlabor eingerichtet hatte. Ich setzte meine Untersuchungen mit leidenschaftlichem Eifer fort. Ich studierte die Pest, ihre Ursachen und die Heilungsmöglichkeiten, wobei ich mich der Arbeiten von Shibasaburo Kitasato bediente, des Direktors des Kaiserlich-Japanischen Instituts für Infektionskrankheiten. Eine andere meiner Quellen war Alexandre Yersin, ein in der Schweiz lebender Bakteriologe. Beide hatten im vergangenen Jahr einen rutenförmigen bakteriellen Mikro-Organismus isoliert, was für meine Arbeit von großer Bedeutung war.
    Ich arbeitete lange und hart, um meine eigenen Ergebnisse durch die ihren zu vervollständigen, aber wenn der Abend anbrach, konnte ich es nicht länger ertragen. Mein Geist stagnierte aus Mangel an Entspannung oder anderen Beschäftigungen. Ich kannte praktisch niemanden in London und hatte kein Bedürfnis, mit meinem Bruder zu verkehren, es war also nicht einfach für mich. Und dann hörte ich von dem Posten, der durch die Pensionierung von Dr. Lewis Spellman, dem Theaterarzt des West End, frei geworden war. Ich suchte Dr. Spellman auf und erfuhr, daß die Arbeit nicht weiter schwierig war und meinen Abenden einen angenehmen und unterhaltsamen Inhalt geben würde. Ich hatte nie Kontakt mit Theaterleuten gehabt und dachte mir, daß diese Stellung menschliche Beziehungen mit sich bringen würde, die ich in letzter Zeit so sehr entbehrt hatte.
    Ich erhielt die Stelle auf Dr. Spellmans Empfehlung hin vor einigen Monaten, und mein Leben änderte sich beträchtlich. Die Arbeit war nicht gerade aufreibend, und ich hatte selten mehr als eine zur unrechten Zeit auftretende Halsentzündung zu behandeln, obwohl ich einmal zu einem Schauspieler gerufen wurde, der sich bei einem Duell den Arm gebrochen hatte. Alles in allem kontrastierte diese Arbeit stark mit der verzweifelten Suche, in die ich im Barts vertieft war. Jeden Abend reinigte ich mich gründlich mit der Jodlösung und begab mich voller Eifer auf meine Theaterrunde. Hatte ich sie absolviert, kehrte ich angenehm ermüdet und innerlich erfrischt in diese Wohnung zurück.
    So kam es, daß ich Jessie Rutland traf. Es war
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