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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde
Autoren: Nicholas Meyer
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Entsetzen, wie ich es wirklich war, führte ich die Autopsie an der Frau durch, die ich soeben selbst ermordet hatte während das blutbefleckte Skalpell unter Ihrer Nase in meiner Tasche lag.«
    Er bedeckte sein Gesicht mit geschwollenen, schwarzen Händen, die jetzt Klauen glichen, und schien unfähig fortzufahren. Nicht nur seine Krankheit, sondern auch seinen eigenen Emotionen hinderten ihn daran.
    Sherlock Holmes, der das erkannte, sagte leise: »Wenn es Ihnen schwerfällt, zu sprechen, Doktor, dann lassen Sie mich die Erzählung fortsetzen, soweit ich sie kenne. Sie brauchen nur ›ja‹ oder ›nein‹ zu sagen oder den Kopf zu schütteln, wenn Sie das vorziehen. Sind Sie damit einverstanden?«
    »Ja.«
    »Gut.« Holmes sprach langsam und klar, so daß Eccles jedes Wort verstehen konnte, bevor er antwortete. »Als Sie ins Theater kamen, um die Autopsie auszuführen, fanden Sie Dr. Watson und mich in der Garderobe, der Infektion ausgesetzt. Sie mußten aus unserer Anwesenheit schließen, daß wir bereits in den Fall verwickelt waren.«
    »Ja.«
    »Mr. Gilbert und Mr. D’Oyly Carte blieben während der Untersuchung draußen; daher waren sie nicht gefährdet, aber Watson und ich waren demselben Risiko ausgesetzt wie Sie. Sie hörten mich sagen, daß wir zu Simpson’s gehen würden, und folgten uns.«
    »Ja.«
    »Während Sie uns durchs Fenster beobachteten, stellten Sie fest, daß ein dritter Mann zu uns stieß –«, er zeigte auf Shaw, aber Eccles, dessen Augen jetzt geschlossen waren, konnte ihn nicht sehen –, »und da Sie kein Risiko eingehen wollten, gaben Sie auch ihm die Medizin zu trinken. Daß wir einer nach dem anderen das Restaurant verließen, vereinfachte Ihre Aufgabe.«
    »Ja. Ich wollte niemanden töten.«
    »Nicht noch jemanden«, verbesserte der Detektiv streng.
    »Ja.«
    »Dann schickten Sie uns einen Brief und warnten uns vor dem Strand.«
    »Ich wußte nicht, wie ich Sie sonst davon abhalten sollte«, röchelte Eccles, wobei er sich bemühte, seine Augen zu öffnen und seinen Beichtvater anzusehen. »Mir blieb nur die Drohung. Ich hätte niemals gehandelt.«
    »Solange wir uns der Pest nicht aussetzten. In Brownlows Fall, der das tat, hatten Sie keine Wahl.«
    »Keine Wahl. Sein Beruf war sein Tod, denn ich wußte, daß er mein Geheimnis enthüllen würde. Als Militärarzt wußte ich, daß nur er direkten Kontakt mit der Leiche haben konnte, und ich rechnete damit, daß er sich um die Assistenten und Leichenträger kümmern würde. Mir selbst wäre das niemals möglich gewesen. Aber er beruhigte mich, was das betraf. Und wir scheuerten zusammen das Labor.«
    »Und Sie verließen es zusammen?«
    Er nickte, und sein Kopf schwankte wie der eines Betäubten. »Ich wußte, daß er die anderen zwingen würde, sich zu desinfizieren und dann zu gehen, sobald er die Symptome der Pest erkannt hatte. Meine Zeit lief auch aus. Ich begann bereits, mich in dies hier zu verwandeln.« Er wies mit einer seiner Klauen auf sich selbst. »Ich schlich mich von hinten an das Labor und sprach durch die Tür zu ihm. Ich sagte, daß ich von seiner Not wüßte und ihm helfen könnte.«
    »Sie halfen ihm, ins Jenseits zu gelangen.«
    Eccles regte sich nicht, sondern saß wie eine groteske Statue aus schimmeligem Lehm. Plötzlich begann er zu schluchzen, zu keuchen und zu schreien. Er versuchte, aus dem Sessel hochzukommen, und hielt sich krampfhaft den Unterleib.
    »Oh, Gott erbarme sich ihrer Seelen!« Er öffnete noch einmal den Mund, als wolle er noch etwas sagen, dann sank er langsam in sich zusammen wie ein Häufchen Asche. Es war still im Zimmer, während das Morgenlicht durch die Vorhänge drang, als wolle es das Ende eines Alptraums verkünden.
    »Er hat für sie gebetet«, murmelte Shaw, der das Taschentuch noch immer vor das Gesicht hielt. »Die Menschheit überrascht mich zuweilen in einer Weise, der meine Philosophie nicht gewachsen ist.« Er sprach mit unsicherer Stimme und lehnte sich gegen den Türrahmen, als sei er einer Ohnmacht nahe.
    »In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti«, sagte Sherlock Holmes und machte das Zeichen des Kreuzes in der verseuchten Luft. »Hat irgend jemand ein Streichholz?«
    Und so kam es, daß in den frühen Morgenstunden des 3. März 1895 in Nummer 33 Wyndham Place, Marylebone, ein Feuer ausbrach und sich mit den rosenfarbenen und goldgeränderten Flammen der Morgensonne mischte. Als die Feuerwehr eintraf, war das Haus beinahe gänzlich eingeäschert und die Leiche
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