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Serum

Serum

Titel: Serum
Autoren: R. Scott Reiss
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Großraumbüro im dritten Stock, von dem nur mein Eckbüro mit Blick auf den Hudson River abgeteilt war. Sie war eine magere, 22-jährige Irano-Amerikanerin der dritten Generation und kleidete sich grundsätzlich in das klassische Schwarz des East Village. Sie trug einen silbernen Ring in der Nase, ein Schmetterlings-Tattoo am Handgelenk, und ein Poster des jordanischen Sängers Hamud Zayed zierte ihre Pinnwand. Eine Flasche Mountain Dew stand auf dem Computerterminal. Sie war süchtig nach dem Zeug.
    Ich hatte Shayla Hazzaz vor zwei Jahren engagiert. Die Alternative wäre gewesen, sie anzuzeigen, weil sie sich in unseren Personalcomputer gehackt und die Dateien so verändert hatte, dass plötzlich ein halbes Dutzend Arbeiter an den Laderampen – die ihr völlig fremd waren – Gehaltsschecks über 22000 Dollar pro Woche bezogen. Für sie war es nur ein Spaß gewesen, und die Empfänger hatte sie ausgewählt, weil sie zufällig am selben Tag Geburtstag hatten wie sie. Zwei davon verständigten ihren Vorarbeiter. Einer kaufte sich einen Acura, den er später zurückgeben musste. Wie sich herausstellte, war Shayla Studentin der Computerwissenschaften am Hunter College und außerdem ein Genie. Danny verpasste ihr wegen ihrer runden Brillengläser den Spitznamen »Eule«. Hängengeblieben war schließlich »Hoot«, weil das ein wenig wie der Schrei einer Eule klang. »Ich habe einen Job für dich«, sagte ich.
    Von mir aus konnte sie sich die Nase piercen, Heilsarmeeklamotten tragen und sich komische Musik anhören, so lange sie wollte. Wenn es sie glücklich machte. Letztes Jahr, eben weil sie glücklich war, war es Hoot gelungen, sich in ein Computersystem in Hongkong zu hacken und einen Fälscherring zu entlarven, der das Lenox-Antibiotikum Kaipra imitiert und als echt verkauft hatte. Konfrontiert mit dem Beweismaterial, hatten die Chinesen den Anführer, einen General, exekutiert und die Fabrik in Shanghai dichtgemacht. Der Vorsitzende hatte sich persönlich bei Hoot bedankt. Sein einziger Kommentar zu ihrer Aufmachung hatte gelautet: »Wie kann sie eigentlich mit dem Ding in der Nase atmen?«
    »Hat sich Dwyer wirklich umgebracht?«, fragte sie jetzt. »Es kommt in den Nachrichten.« Sie sprach wie ein Teenager.
    »Darüber reden wir später.«
    »Hatte er Aids? Das behaupten sie auf ABC.«
    »Ich habe keinen Schimmer, woher dieses Gerücht stammt.«
    »Hey, er ist doch über die Firma krankenversichert, oder? Ich wette, ich könnte seine Daten ausbuddeln.«
    Ich befahl ihr, die Nase nicht in die medizinischen Akten des Vorsitzenden zu stecken, und las ihr stattdessen die Zahlen von der Pillendose vor, die ich gefunden hatte. Sie sollte herausfinden, welche Fabrik sie hergestellt hatte. Und wohin sie ausgeliefert worden war.
    »Was war in der Flasche, Chef?«
    »Ich hoffe, das kannst du mir sagen.«
    »Was ist so Besonderes daran?«
    »Tu’s einfach, ja?«
    »Sie klingen wie mein Vater«, beklagte sie sich. »Leute wie Sie machen Leute wie mich zu Hackern. Sonst erfährt man als normaler Mensch ja nie die Wahrheit. Geben Sie mir zwanzig Minuten.«
    Sie legte auf, bevor ich etwas erwidern konnte. Sie war ein unverzichtbares Mitglied meiner kleinen Gruppe von Exzentrikern.
    Eine Künstlerin voller Temperament, dachte ich lächelnd. Aber ebenso zuverlässig wie Danny, egal, wie sehr sie meckern mochte.
     
    Ich klingelte Kim an, während ich den Wagen in der Tiefgarage der Firma abstellte, und berichtete ihr, was ich herausgefunden hatte. Den Teil mit dem Arzneifläschchen und der Liste ließ ich aus.
    »Er hätte nie Selbstmord begangen«, beharrte sie. »Wahrscheinlich denkst du, ich mache mir da etwas vor. Nach einem Selbstmord reden die Leute ja immer so. Das hätte er nie getan. Wir führten doch eine glückliche Ehe. Wir hatten keinerlei finanzielle Sorgen. In der Art.«
    Sie klang, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.
    »Kim, wenn er es nicht getan hat, war es jemand anders.«
    »Ich weiß nur, dass er es nicht war. Punkt.«
    »Lass uns zusammen zu Abend essen«, schlug ich vor. Ich machte mir Sorgen um sie. Sie war eine sehr emotionale Frau, aufrichtig, loyal. Und sie traute ihrem Instinkt über alles.
    »Ich wünschte, ich wäre weit, weit weg.«
    »Ich hole dich ab«, bot ich an. »Ich grille Steaks. Wir werden im Garten sitzen, einen Strandspaziergang machen. Anschließend fahre ich dich nach Hause. Bring Chris mit, wenn du möchtest. Er liebt das Meer. Oder übernachtet bei mir.«
    Chris war ihr
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