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Serial

Serial

Titel: Serial
Autoren: J Kilborn , Blake Crouch
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Aufeinandertreffen war mittlerweile über eine Woche her. Er hatte sich rasch aus dem Staub gemacht und war nach Südwesten abgehauen. Ihm war klar, dass eine bundesweite Fahndung nach ihm ausgerufen werden würde. Aber sie hatten kaum etwas über ihn in der Hand, lediglich eine Beschreibung und einen Namen.
    Vielleicht würde er sie wieder anrufen, in einer Woche oder so. Nur um ein bisschen zu plaudern, sonst nichts.
    Drohen würde er ihr erst später, wenn er ihr einen Besuch abstatten wollte.
    Das mit Taylors Verhaftung tat ihm durchaus leid. Es war eine Schande, einen Seelenverwandten zu verlieren. Aber wenn er von Anfang an zu teilen bereit gewesen wäre, säße er jetzt nicht hinter Gittern.
    Zumindest hat er mich nicht verpfiffen, dachte Donaldson.
    Aber das hatte Donaldson nicht daran gehindert, so viel Entfernung zwischen sich und Wisconsin zu legen wie nur irgend möglich. Er war so sehr damit beschäftigt gewesen, unterzutauchen, bloß nicht aufzufallen und jegliche Spuren zu verwischen, dass er gar nicht dazu gekommen war, seiner Leidenschaft nachzugehen. Das hatte ihn zwar nicht davon abgehalten, nach möglichen Opfern Ausschau zu halten. Aber die waren dünn gesät.
    Es war gar nicht so leicht, einen Tramper zu finden, wenn es keinen gab.
    Donaldson schwelgte in Erinnerungen. Vor zehn Jahren hatten sie im Überfluss an den Highways gestanden, mindestens einer alle zehn Kilometer, und ein anspruchsvoller und wählerischer Killer konnte sich das leichteste, spaßigste oder verheißungsvollste Opfer in aller Ruhe aussuchen. Heutzutage aber sorgten die Bullen dafür, dass es kaum noch Tramper gab, und Donaldson musste Ausfahrten, Unterführungen und Raststätten abklappern, durch kleine Straßen tuckern oder stundenlange Kaffeepausen in Autohöfen einlegen. Der Entspannungsmord war kaum noch die Mühe wert.
    Endlich hatte er jemanden gefunden– auf dem Parkplatz eines Ladens der Kette Cracker Barrel Old Country Store. Der Junge war ein offensichtliches Zielobjekt. Er lehnte an einem übergroßen Aschenbecher aus Zement und fragte jeden, der das zugehörige Restaurant verließ, ob er mitfahren könne. Zwischen den unweigerlichen Absagen übte er immer wieder ein unsicheres Grinsen.
    Eine reife Frucht, die nur darauf wartete, gepflückt zu werden.
    Donaldson steckte das Handy in die Tasche und stieg aus. Er musste sich nicht einmal selbst um die Kontaktaufnahme bemühen, sondern schlenderte lediglich ins Restaurant, ging aufs Klo und machte sich wieder auf den Weg zurück zum Auto, während er lässig mit den Schlüsseln spielte. Der Tramper war ihm sofort auf den Fersen.
    » Entschuldigen Sie bitte, aber fahren Sie zufällig nach Norden?«
    Donaldson hielt inne und tat so, als ob er den Jungen zum ersten Mal bemerkte. Er war noch jung, kaum über zwanzig Jahre alt, klein, mit roten Haaren und ein paar Sommersprossen im Gesicht, die unter seiner Brille hervorlugten. Seine Kleider schienen von guter Qualität zu sein, wenn sie auch schon ziemlich abgetragen waren. Donaldson war mehr als doppelt so alt wie er und beinah doppelt so schwer.
    Er rieb sich das Kinn, was– wie er wusste– seine rauen Gesichtszüge weniger bedrohlich aussehen ließ.
    » Zufällig, mein Junge, will ich genau da hin.«
    Die Augen des Trampers weiteten sich, aber er blieb gelassen. Jeder erfahrene Tramper wusste, dass er erst das Terrain sondieren musste, ehe er sich auf einen Deal einließ.
    » Ich auch. Wenn Sie nichts gegen etwas Gesellschaft hätten, könnte ich auch was zum Benzin beisteuern.« Er blickte zu Boden und fügte rasch hinzu: » Keine komischen Sachen. Ich suche nur nach einer Mitfahrgelegenheit. Eigentlich möchte ich vor Mitternacht in Ogden sein, um ein paar Verwandte zu besuchen. Ich heiße übrigens Brett.«
    Nicht schlecht gemacht, dachte Donaldson. Freundlich, ein wenig verzweifelt, gleich klargestellt, dass er auf keinerlei sexuelle Abenteuer aus ist und außerdem erwartet wird.
    Als ob ihm das etwas nützen würde.
    » Woher willst du wissen, dass ich kein Psychopath bin?«, fragte Donaldson. Er wusste, dass er drohte, sein Glück überzustrapazieren, aber ihm gefiel die Ironie der Frage.
    » Da drüben ist eine Tankstelle. Heutzutage sind alle Tankstellen videoüberwacht. Ich kann den Tank auffüllen lassen und mit Kreditkarte bezahlen, dann haben wir gleich etwas, das auf mich zurückführt. Sollte mir etwas passieren, hätte die Polizei sofort Beweise an der Hand.«
    Cleveres Kerlchen. Aber nicht clever
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